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hatte Jenkens zu einem der reichsten Kapitalisten Roms gemacht.
Sir William entnahm von ihm nicht bloß das Geld, dessen er zur Fortsetzung seiner Reise bedurfte, sondern kaufte ihm auch zwei oder drei seiner schönsten Ringe und Kameen ab, die er mir zum Geschenk machte. Bei dieser Gelegenheit war ich Zeuge der Art und Weise, auf welche Jenkens verkauft, und die Erinnerung daran ist unauslöschlich in mir zurückgeblieben. Wenn der Gegenstand, den man Jenkens abkaufen wollte, eine Medaille war, so begann er damit, daß er die Geschichte des Ereignisses oder der Person erzählte, worauf sie Bezug hatte, worauf er in einer mit großem Pathos gehaltenen pomphaften Lobrede die Seltenheit und Eigentümlichkeit des betreffenden Exemplares rühmte, worauf er natürlich bemüht war; einen bedeutenden Preis zu fordern. Bezahlte man ihm dann gegen sein Erwarten den verlangten Preis, so begann er zu seufzen, Tränen zu vergießen und zu schluchzen. Ein Vater, der sich seine einzige Tochter durch einen Mann entführen sähe, welcher mit ihr zu den Antipoden ginge, könnte keinen lebhafteren Schmerz an den Tag legen. Ich war mit zugegen, als Sir William ihm die für mich bestimmten Schmucksachen abkaufte, und ich gestehe, daß ich selbst bis zu Tränen gerührt ward.
»Mylord,« sagte er zu Sir William, »wenn Sie den Handel, den Sie soeben mit mir abgeschlossen, jemals bereuen, so bringenSie mir diese Ringe, diese Kameen, diese Medaillen wieder. Sie werden mich stets bereit finden, Ihnen den dafür gezahlten Preis zurückzuerstatten und mir dadurch obendrein einen hohen Trost bereiten.«
Das Außerordentliche hierbei ist, daß Jenkens, den man zuweilen beim Wort gehalten, niemals verfehlt hatte, das, was er versprochen, auch zu tun und das für den Gegenstand empfangene Geld ungeschmälert zurückzuerstatten, wobei er zugleich die lebhafteste Freude an den Tag gelegt, daß er sich wieder im Besitz des schmerzlich vermißten Gegenstandes sah. Mochte dies nun Berechnung oder das wahre Gefühl eines Archäologen sein, welcher, wie Cardillac, sich nicht entschließen konnte, sich von seinem Schatz zu trennen, so äußerte die Treue, womit Jenkens sein Wort hielt, auf den Käufer allemal eine beruhigende Wirkung, denn dieser glaubte nie eine Sache über ihren Wert zu bezahlen, da er ja wußte, daß er, wenn er sie dem Verkäufer wiederbrächte, dieser ihm sofort das Geld wieder herauszahlen würde. Ich bilde mir ein, daß ich die Kunst verstehe, durch meine Physiognomie die verschiedenen Empfindungen der Seele auszudrücken, aber ich gestehe, daß, wenn Jenkens, anstatt bei der Trennung von seinen Kameen und Medaillen einen aufrichtigen Schmerz zu empfinden, bloß eine eingelernte Rolle spielte, er in der Kunst des Lachens und des Weinens mich weit hinter sich zurückließ.
Wir sahen auf dieser Durchreise durch Rom – ohne jedoch nähere Bekanntschaft mit dem Manne zu machen – einen Prälaten, der früher an dem Hofe von Neapel eine so bedeutende Rolle spielte, daß ich ihn schon jetzt dem Leser vorstellen zu müssen glaube. Ich spreche nämlich von dem päpstlichen Oberschatzmeister, Monsignore Fabrizzio Ruffo.
Derselbe war der Neffe des Kardinals Ruffo, Dekan des heiligen Kollegs, welcher, wie ich schon bemerkt, den schönen Angelo Braschi veranlaßte, sich dem geistlichen Stande zu widmen. Wir müssen Pius dem Sechsten die Gerechtigkeit widerfahren lassen, zu sagen, daß er, auf den Thron des heiligen Petrus gelangt, dem Manne, der ihm den Weg dazu gebahnt, sich so dankbar verpflichtet fühlte, daß seine erste Sorge war, dem Neffen des verstorbenen Kardinals denselben Posten zu geben, welchen er, Braschi, früher von Rezzonico durch die Protektion der schönen Julia Falconieri erhalten. Er machte den jungen Fabrizzio Ruffo zum Großschatzmeister, ein Amt, welches, wie ich schon bemerkt zuhaben glaube, dem, der es niederlegt, von Rechts wegen den Kardinalshut einträgt. Monsignore Ruffo galt in Rom für einen Mann von scharfem Verstand, welchem die Kunst der Folard und der Montecuculi nicht unbekannt war. Er pflegte sogar selbst zu sagen, daß, wenn er zur Zeit der Lavalette und der Richelieu gelebt hätte, er öfter den Panzer und Helm als das Barett und den Purpurmantel getragen haben würde. Großer Liebhaber des schönen Geschlechts und aus dieser seiner Neigung durchaus kein Hehl machend, gab er gegen die männlichen Sängerinnen oder die weiblichen Sänger die größte Verachtung zu erkennen. Zur Zeit unserer
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