TITLE
mit der Ruhe eines Märtyrers und der Seelengröße eines Helden starb.Es ist eine der seltsamen Eigentümlichkeiten, an welchen die Geschichte des Altertums so reich ist, daß jene Furcht, welche die Römer zu so vielen Niedrigkeiten trieb, sie in dem Augenblicke, wo sie sich dem so gefürchteten Tode gegenüber sahen, plötzlich verließ, um der wunderbarsten Unerschrockenheit Platz zu machen. Als Beleg hierzu dient der Tod des Petronius, des Lucanus und Senecas, dieser drei Schmeichler Neros. Nach Verlauf einer Stunde kamen wir wieder in Molo de Gaëta an, wo wir frühstückten. Dann setzten wir unsern Weg nach Neapel weiter fort, wo wir gegen neun Uhr abends mittels der Straße von Capua anlangten. Ein nicht weniger unauslöschliches Gefühl, obschon von ganz anderer Art als in den pontinischen Sümpfen, erfüllte mich bei meiner Ankunft in Neapel, als ich mich in einer schönen hellen Nacht dem dampfenden Vesuv gegenüber sah, in dessen Krater gleich einer glühenden Kugel über der Mündung eines Mörsers der Vollmond in seinem Glanze sich in einer dunstigen Atmosphäre zu schaukeln schien. Wir fuhren durch die Porta Capuana, durch das sogenannte alte Kastell, die Marina und den Piliero. Das Castello Nuovo blieb zu unserer Linken, die Piazza Medina zu unserer Rechten. Wir kamen an dem Porticus des San Carlotheaters vorüber, welches wegen einer außerordentlichen Vorstellung hell erleuchtet war. Dann fuhren wir über den Largo San Fernando, die Chiaja entlang und hielten endlich an der Ecke vor dem Palast Calabrita Capella Vecchia, der Wohnung des englischen Gesandten. Diese erste Nacht schlief Mylord Bristol oder Harvey mit in dem Gesandtschaftshotel, da sich aber glücklicherweise über Sir Williams Zimmer, der die beiden ersten Etagen innehatte, eine leerstehende Wohnung befand, so richtete Lord Harvey sich hier für die Dauer ein und bezog diese Räumlichkeiten schon am nächstfolgenden Tag. Nun war ich endlich in Neapel. Ich befand mich hier in einer Stellung, welche ich mir in den wahnsinnigsten Anwandlungen meines Ehrgeizes nicht zu träumen gewagt. Emma Lyonna war verschwunden, Miß Heart war verschwunden, alle jene unsaubere Vergangenheit war im Schmutze Londons begraben zurückgeblieben. Es gab jetzt bloß noch Lady Hamilton, die Gemahlin des Gesandten Englands. An mir war es, dies nicht zu vergessen.
35. Kapitel.
Da ich die ganz eigentümliche Gesellschaft zu schildern haben werde, welche Sir William Hamilton in Neapel besuchte und empfing, so glaube ich, ehe ich mich zu der Erzählung der politischen Ereignisse wende, in welche ich mich verwickelt fand, damit beginnen zu müssen, daß ich einen vollständigeren Begriff von jener seltsamen Person gebe, welche der Leser bereits kennt, und welche, Lord Harvey, Carl oder Graf von Bristol, Bischof von Derry hieß. Er war das jüngste von zwanzig Kindern, und da er das einzige war, welches davon am Leben geblieben, so hatte er die Güter, die Titel und die Würden der ganzen Familie geerbt.
Er weilte fast fortwährend im Ausland. Zu der Zeit, wo wir ihm begegneten, waren es ungefähr zwanzig Jahre her, daß er keinen Fuß in seine Diözese gesetzt. Nichts an ihm erinnerte daran, daß er auf irgendeine Weise der Kirche angehörte, weder seine Kleider, noch seine Konversation. Gewöhnlich trug er einen weißen Hut und einen seidenen Rock von bald heller, bald sehr greller, nur selten schwarzer Farbe. Dies war sein Kostüm. Was seine Sitten betraf, so waren sie ebenso wie seine Konversation ungemein locker. Das erste, was er bei seiner Ankunft in Neapel tat, war, daß er sowohl im Theater San Carlo als in dem Theater San Carlino eine Loge nahm. Er hatte keinen religiösen Glauben, nicht einmal an die absoluten Dogmen der Kirche, und war der erste, welcher dieselben lächerlich machte. Von der Unsterblichkeit der Seele sprach er mit einer Gleichgültigkeit, welche an Zweifel grenzte, gefiel sich nur in weltlichen Konversationen und liebte es, leichtfertige und selbst skandalöse Anekdoten zu erzählen oder erzählen zu hören. Schon bei seiner ersten Reise in Frankreich hatte er das Rhonetal, Grenoble und die Dauphinée besucht. An der großen Karthause vorbeikommend, war er bis zu dem Kloster der Schüler des heiligen Bruno hinaufgestiegen.
In dem Augenblicke, wo er hier erschien, war die Bruderschaft eben bei Tische. Er pochte an die Tür, die wegen der eben erwähnten Operation der frommen Väter verschlossen war, und der Pförtner erklärte ihm, daß
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