TITLE
Reize nicht bedecken, sondern durchschimmern lassen sollte, jener den kleinen Mantel, welcher diese himmlische Stimme vor den Luftströmungen schützen sollte, welche nachteilig darauf einwirken konnten.
Ich saß da, ich sah, ich hörte, ich glaubte zu träumen. Ich lächelte unwillkürlich über diese Beweise von Ehrerbietung, die von Männern, welche das Volk als ehrwürdige Persönlichkeiten betrachtete, diesem Idol gegeben wurden, welches jener unzähligen Menge falscher Götter in dem Pantheon menschlicher Ketzereien eine unglaubliche Einheit mehr hinzufügte. Der Augenblick, woArmida wieder auf der Bühne erscheinen mußte, war da, die Klingel des Inspizienten ließ sich für die gemeinsamen Märtyrer hören; für den Signor oder die Signora Veluti, wie man will, erfolgte die Aufforderung mündlich durch den Regisseur und mit allen Kennzeichen von Ehrerbietung, die er einer wirklichen Königin bewiesen haben würde. Die schöne Armida nahm sich nur mir allein gegenüber die Mühe, sich wegen ihrer gezwungenen Abwesenheit zu entschuldigen, dann berührte sie mich mit ihrem Zauberstabe und sagte: »Schöner als Sie sind kann ich Sie nicht machen, wohl aber kann ich für Sie tun, was die Sibylle von Cumä, welche zu besuchen Sie im Begriffe stehen, von Apollo vergessen hatte zu verlangen. Ich kann nämlich durch meine Zauberkunst machen, daß Sie ewig schön bleiben.«
Dann machte die Zauberin, indem sie einige Worte sprach welche eine cabbalistische Formel sein sollten, mir eine weibliche Reverenz und entfernte sich, indem sie sich hin und her wiegte und eine Cadenz hören ließ, an deren Reinheit und Wohlklang sich allerdings nichts aussetzen ließ.
Ich verließ das Zimmer Armidas stumm vor Erstaunen und kehrte in meine Loge zurück, die sich so nahe an der Bühne befand, daß ich von dem Signor oder der Signora Veluti wieder erkannt ward, und diese die Güte hatte, während des noch ganzen übrigen Abends mir Beweise ihrer Aufmerksamkeit zu geben, sei es, indem sie ihre schwierigsten Passagen an mich richtete, sei es, indem sie ihre mörderischsten Blicke nach mir schleuderte. Am nächstfolgenden Tag empfing ich den Besuch des Grafen von Bristol, welchem ich die fabelhaften Ereignisse des vorigen Abends erzählte. Er fing an zu lachen und erzählte mir, daß es in Rom unter der hohen Prälatur eine achte Todsünde gäbe, welche man die noble nenne. Wie groß auch meine Neugier war, den Signor oder die Signora Veluti in der Nähe und bei Tag zu sehen, so ließ ich ihn doch, als er fünf Uhr nachmittags in einem eleganten Abbékostüme erschien, mit der Entschuldigung abweisen, daß die Vorbereitungen zu meiner Abreise es mir unmöglich machten, irgendwelchen Besuch zu empfangen. In der Nacht, welche dieser Abreise voranging, ereignete sich ein merkwürdiger Vorfall, welcher von der Art und Weise, auf welche damals in Rom die Polizei gehandhabt ward, einen Begriff geben kann. Kaum fünfzig Schritte von unserm Hotel, auf dem sogenannten Spanischen Platze war bei Rovaglio, dem Uhrmacher des Vatikans, gegen zwei Uhr morgens ein Einbruchdiebstahlversucht worden. Der Uhrmacher, sein Sohn und zwei Diener hatten sich zur Wehr gesetzt. Einer der Räuber war auf dem Platze geblieben und einen zweiten hatte man sterbend an der Ecke der Straße del Babuino liegend gefunden.
Am nächstfolgenden Tage erfuhr man, auf welche Weise Rovaglio sich selbst Gerechtigkeit verschafft hatte. Es war nicht das erstemal, daß man bei diesem Manne einzubrechen versucht, dessen Kaufladen, wie man wußte, einen reichen Vorrat von Uhren und Schmucksachen enthielt. Schon zweimal hatte er durch das Geräusch, welches er im Innern des Ladens gemacht, dergleichen Versuche vereitelt. Jedesmal hatte er dann die Polizei davon benachrichtigt. Der mit dem Departement der öffentlichen Sicherheit betraute Prälat Busca hatte aber nur mit schönen Redensarten geantwortet, ohne irgendwelche Maßregel gegen die Diebe anzuordnen. Als Rovaglio sich auf diese Weise von der Behörde, die ihn hätte beschützen sollen, verlassen sah, richtete er, als er eines Tages in den Vatikan ging, um die Uhren zu stellen, es so ein, daß er dem Papste begegnete, dem er alles erzählte, worauf er ihn um direkten Beistand gegen die Industriellen bat, welche sich mit gewaffneter Hand in sein Geschäft zu mischen suchten. »Mein lieber Rovaglio,« antwortete ihm der Papst, »ich nehme an der kritischen Lage, worin Sie sich befinden, aufrichtig Teil, aber ich kann nichts
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