TITLE
Feuersbrunst verwandelt hatte.
Alles, was im südlichen Italien das Auge auf Frankreich geheftet, wußte im voraus, daß die Bewegung von Paris ausgehen würde und erbebte vor Freude bei der Nachricht von der Einnahme der Bastille. Man kann sich denken, daß der Hof von Neapel ein ganz entgegengesetztes Gefühl empfand. Die Bastille war genommen worden ohne Belagerung in einem Tage, in drei Stunden durch ein Volk, welches gestern waffenlos gewesen, und heute dreißigtausend Musketen besaß. Die weiße Kokarde, dieses Emblem der Lilien, war in die dreifarbige, das Emblem der Revolution, verwandelt. Ludwig der Sechzehnte hatte dieses Emblem, angenommen und selbst an seinem Hute befestigt. Alles dies waren unerhörte, unerwartete, unglaubliche Dinge, welche den Hof von Neapel mit Bestürzung erfüllen mußten und ihn auch wirklich damit erfüllten. Die politischen Beziehungen waren, dank dem Hasse des Ministers Acton gegen Frankreich und dem Einflusse, den er im Kabinettsrat gewonnen, zwischen den beiden Königreichen kalt und förmlich geworden. Die Familienbeziehungen zwischen Marie Karoline und ihrer Schwester waren dagegen so zärtlich geblieben wie je und es vergingen selten vierzehn Tage, ohne daß Briefe gewechselt worden wären, in welchen die beiden Erzherzoginnen einander ihre Freuden, ihre Schmerzen und ganz besonders ihre ehelichen Enttäuschungen erzählten. Sei es nun, daß der Minister Acton in dem Instinkt seines Hasses die Ereignisse, welche in Frankreich im Anzuge waren, erriet, sei es, daß er nur jenem rachsüchtigen Gefühl folgte, welches sein Herz erfüllte, kurz, er steigerte die Unruhe des Königs Ferdinand mehr, als daß er dieselbe beschwichtigt hätte und stellte ihm eine bewaffnete Intervention in Aussicht, bei welcher Neapel eine Rolle zu spielen oder eine Mission zu erfüllen hätte. Einen mächtigen Bundesgenossen fand er nach dieser Seite hin in Sir William Hamilton, welcher die Liebe zu seinem Milchbruder, dem König Georg, und zu England, seinem Vaterland, bis zum Fanatismus trieb.
Was mich betraf, die ich außerhalb jeder politischen Frage stand, und mit den Rechten der Völker und der Macht der Königesehr unbekannt war, so gehorchte ich natürlich dem Impulse, der mir gegeben ward, besonders wenn derselbe von einem Manne wie Sir William kam, dessen überlegener Geist von einem jeden anerkannt ward, und von einer Frau wie Marie Karoline, welche schon von dem ersten Tage an, wo ich sie gesehen, eine große Gewalt über mich ausgeübt hatte. Von diesem Augenblicke an huldigte ich also dem Hasse und den Sympathien der Personen, welche mich umgaben, ohne mir Rechenschaft von diesem Hasse und diesen Sympathien zu geben, welche bei mir mehr instinktartige Gefühle als irgendeiner Regel oder einer Berechnung unterworfen waren. Man begreift übrigens, daß diese Gefühle sich nur in den Personen entwickelten, deren Widerspiegelung ich anfangs war, um später unglücklicherweise ihr Werkzeug zu werden. Die Nachrichten aus Frankreich blieben nicht bei der Einnahme der Bastille und dem Wechsel der Kokarde stehen. Man erfuhr nach und nach die bei dem königlichen Bankett der königlichen Garde stattgehabten Vorfälle, wo die Nationalkokarde mit Füßen getreten und die schwarze aufgesteckt worden war, so wie die Tage des 5. und 6. Oktobers, während welcher die Gemächer des Palastes von Versailles geplündert, zwei Leibgardisten getötet und der König und die Königin mit Gewalt nach Paris zurückgeführt worden waren. Diese letzte Nachricht machte die Königin Maria Karoline sehr traurig. Sie zeigte mir einen Brief von ihrer Schwester Antoinette, worin diese ihr ein Projekt mitteilte, welches darin bestand, aus Frankreich zu entfliehen oder die von der Krone seit dem Monate Juli verlorene Gewalt vollständig wieder zu erobern. Dieses Projekt mußte ganz Europa in Flammen setzen, und gefiel schon deshalb der Königin, welche, indem sie den Kampf gegen die Revolution begann, damit in ihr eigentliches Element eintrat. Dieses Projekt war folgendes. Aus der Darlegung, die ich in wenigen Zeilen davon geben werde, wird man sehen, daß dies die erste Idee zur Flucht nach Varennes war. Man wollte neuntausend Mann von dem, was man das »Haus des Königs« nannte, um Versailles zusammenziehen. Von diesen neuntausend Mann gehörten zwei Dritteile dem Adel an und bestanden demzufolge aus treuergebenen Leuten. Man wollte sich der ungefähr zwanzig Lieues von Paris entfernten Stadt Montargis bemächtigen,
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