TITLE
Augenblicke, wo in diesem selben Augenblicke eine Koalition gegen Frankreich sich vorbereitete, erschien Sir William allzu bedeutsam. Er setzte der Königin seine Gründe auseinander. Sie fand dieselben gerecht und war die erste, welche mir zu bleiben befahl. Mit wahrhafter Verzweiflung verließ sie mich einige Tage nach dem Tod ihres Bruders. Sie ließ mich schwören, in ihrer Abwesenheit niemanden zu empfangen als meinen alten Anbeter, den Grafen von Bristol, dem sie mich übergab, indem sie ihm befahl, ihren Schatz zu hüten. Sie ließ sich ein Porträt von mir fertigen, gab mir das ihrige, und bat mich, als höchsten Beweis des Vertrauens und der Freundschaft, ihre Kassette in Verwahrung zu nehmen. Endlich reiste sie ab. Überall, wo sieunterwegs verweilte, wußte sie es möglich zu machen, mir zu schreiben und während der ganzen Zeit ihres Aufenthaltes in Wien empfing ich jede Woche einen Brief von ihr. Sie erzählte mir die Krönungsfeierlichkeiten, welchen sie sowohl in Wien wie in Pest beiwohnte, weil der Kaiser, als König von Ungarn, nicht bloß die kaiserliche Krone in Wien, sondern auch die königliche Krone in Pest empfing. Was die politischen Dinge, das heißt die Maßregeln betraf, welche man zu treffen hatte, um Marie Antoinette zu retten oder Europa gegen Frankreich zu verbünden, so deutete eine einzige Zeile als Nachschrift darauf hin und enthielt bloß die drei Worte: »Alles geht gut.«
In der Tat bereitete während dieser Reise Karoline – im Bunde mit ihrem Bruder – die Flucht nach Varennes vor und man beschloß, daß eine Armee sich bereit halten sollte, den König und die Königin von Frankreich zu unterstützen, sobald dieselben die Grenze passiert haben würden. Der König Ferdinand soll nach seiner Rückkehr in Neapel seine Armee in geeigneten Stand setzen, um sie mit der österreichischen Armee gemeinschaftlich agieren lassen zu können. Endlich, in den ersten Tagen des Aprils, empfing ich von der Königin einen Brief, worin sie mir ihre bevorstehende Rückkehr meldete. Dabei wollte sie jedoch, da sie sich genötigt sah, mit dem Papst Pius dem Sechsten einige politische Angelegenheiten zu ordnen, dort eine Woche verweilen. Sofort nach ihrer Ankunft daselbst wollte sie mir wieder schreiben. In der Tat war sie auch kaum daselbst angelangt, so schrieb sie mir. Die Kälte, welche während einiger Jahre den Hof von Rom von dem Hofe von Neapel getrennt und deren Ursache in der Weigerung des Königs Ferdinand oder vielmehr des alten Ministers Tannucci, einen gewissen althergebrachten Tribut zu zahlen, bestand, war vor der gemeinsamen Gefahr verschwunden. Es ward zwar von den beiden Monarchen festgesetzt, daß dieser Tribut abgeschafft bleibe, und dagegen die Könige von Neapel bloß bei ihrer Krönung zum Zeichen ihrer Ehrfurcht vor den Aposteln Petrus und Paulus dem heiligen Vater eine gewisse Summe bezahlen sollten. In dem Brief, welcher mir die Abreise der Königin von Rom meldete, bestimmte sie den Tag und die Stunde ihrer Ankunft in Caserta, wohin sie mich einlud ihr entgegenzukommen und sie zu erwarten, damit wir uns sobald als möglich und zwar ohne Zeugen wiedersähen. Ich allein ward auf diese Weise von ihrer Rückkehr benachrichtigt; ihre Frauen und selbst ihre Kinder sollten sich erst den nächstfolgenden Tag beiihr einfinden. Der König sollte seine Reise bis Neapel fortsetzen und während die Königin in Caserta ausruhte, sich mit dem Chevalier Acton und Sir William beraten, für welche der Hof von Neapel keine Geheimnisse hatte. Um meinerseits eine Ungeduld zu beweisen, welche der, deren Gegenstand ich war, gleichkäme, war ich schon lange vor der Stunde der Ankunft in Caserta und konnte, als man ihren Wagen auf der Straße von Capua erblickte, sie von weitem durch Winken mit meinem Tuche begrüßen. Die Königin sah mich und schwenkte zur Antwort das ihrige. Der königliche Wagen verdoppelte seine Schnelligkeit und ich hatte nur eben noch Zeit, die große Treppe hinabzueilen, um die Monarchin in meinen Armen zu empfangen. Der Verabredung gemäß setzte der König seinen Weg weiter fort und wir, die Königin und ich, blieben in Caserta zurück.
50. Kapitel.
Dank der von der Königin gebrauchten Vorsicht hatten wir vierundzwanzig Stunden für uns. Marie Karoline war in der heitersten Stimmung. Abgesehen von der Freude, mich wiederzusehen, kam sie mit der Versicherung des Kaisers Leopold, daß eine Koalition, für welche man auch Preußen zu gewinnen hoffte, sich gegen dieses
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