TITLE
Beifallssturm in mein Zimmer. Die Königin kam mir nachgeeilt und faßte mich in ihre Arme. Dann, als sie nahende Tritte hörte, rief sie:
»Wer kommt da?«
Die zudringliche Person, welche entweder die San Marco oder die San Clemente war, kehrte in den Salon zurück, oder kam vielmehr keinen Schritt näher. Die Königin schien einen Augenblick nachzudenken, dann sagte sie plötzlich: »Bleib hier und kehre nicht in den Salon zurück.«
Es war dies mein einziger sehnlicher Wunsch, denn ich war im höchsten Grade erschöpft. Ich sank in einen Lehnsessel. Die Königin entfernte sich und ich hörte, wie sie sagte: »Unsere Engländerin hat zum größeren Ruhme ihres Dichters und zu unserem größern Amüsement so wacker gespielt, daß sie vor Erschöpfung halb tot ist. Ich bitte daher, sie zu entschuldigen. Gute Nacht, meine Herren.«
»Ist es wenigstens erlaubt, Beifall zu spenden?« fragte Rocca Romana.
»O, soviel Ihnen beliebt,« sagte die Königin. »Sie werden dennoch niemals genug spenden. Gestehen Sie, daß diese Leistung etwas Wunderbares ist.« Es erfolgte ein abermaliger lauter Beifallssturm, dann hörte ich die Stimmen allmählich verhallen. Die Königin dankte ihren Ehrendamen, welche ihre Dienste anboten, und schloß die Tür hinter ihnen. Als sie sich umdrehte, sah sie mich den seidenen Türvorhang des Salons emporheben. »So komm' doch, Sirene! komm' doch, Circe! komm', Armida!« sagte sie. Und indem sie ihren Arm um meinen Hals schlang, zog sie mich neben sich auf das Sofa. Wir sanken neben der Harfe nieder. Sie ergriff dieselbe und wollte selbst zu spielen und zu singen beginnen, als man leise an der Tür kratzte.
»Was will man schon wieder von mir?« fragte die Königin ungeduldig. – »Die Leute und der Wagen der Lady Hamilton sind da,« antwortete eine Stimme. – »Sie mögen in das Gesandschaftshotelzurückkehren,« sagte die Königin. »Man bedarf ihrer hier nicht. Ich behalte Lady Hamilton bei mir.« Dann zog sie, ja trug mich beinahe nach dem Badezimmer, indem sie flüsterte:
»Komm'! komm'! Sir William ist in Caserta und wird erst morgen zurückkehren.«
49. Kapitel.
Die Nachricht, welche seit dem gestrigen Tage über dem Haupte der Königin geschwebt hatte, war die von der Einnahme der Bastille. Nichts hätte Karoline mit größerer Bestürzung erfüllen können. Es war, als ob man ihr gemeldet, daß die Neapolitaner das Kastell San Elmo erstürmt hätten. Diese Nachricht hatte – obschon, soviel man wußte, kein anderer Bote aus Frankreich gekommen war, als der, welcher diese Nachricht gebracht und obschon man diesen im Palast zurückgehalten und eingeschlossen – sich dennoch in Neapel verbreitet und hier eine eigentümliche Sensation erweckt. Als einige Jahre vorher die Freimaurer in Frankreich, die Illuminaten in Deutschland, die Swedenborgianer in Schweden geheime Gesellschaften zu bilden begannen, hatte die Freimaurerei auch in Italien und besonders im südlichen Teile einige Fortschritte gemacht. Diese maurerische Invasion hatte zur Zeit der Liebschaft der Königin mit dem Fürsten Caramanico stattgefunden und die Königin, welche jede Gelegenheit aufsuchte, mit ihrem Geliebten zusammenzutreffen, hatte ihn heimlich aufgefordert, sich als Maurer aufnehmen zu lassen. Er hatte dies ohne Zögern getan und sie hatte, das Gesetz benutzend, welches die Gründung von Frauenlogen gestattete, sich zur Großmeisterin einer Loge erklärt, welcher mehrere neapolitanische Damen beigetreten waren. Was den König betraf, so hatte er seinen Beitritt immer aufgeschoben, namentlich wegen der physischen und moralischen Proben, denen er sich nicht unterwerfen wollte, weil er nicht überzeugt war, daß er sie rühmlich bestehen würde. Allmählich hatte die Königin sich immer freier gemacht. Nach dem Tode des Ministers Tannucci konnten die Liebenden einander sehen, sooft sie wollten. Man hatte die Freimaurerlogen sich versammeln und ruhig an ihrem Werke arbeiten lassen. Dieses Werk bestand, wie man sich erinnert, damals in nichts anderem, als in einer umfassenden Verschwörung gegen das Königtum. Zu jener Zeit waren mehrere merkwürdige Männeraufgetreten und hatten in Italien ihre Schule gemacht. Es waren dies die Erben und Nachfolger der Vico, Genovesi, Beccaria, Filangieri, Pagano, Cirillo, Conforti, mit einem Worte aller derer, welche den Triumph derselben Prinzipien wollten, das heißt, den Fortschritt der Welt bis zum Lichte jener Philosophie, welche in Frankreich sich in eine
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