TITLE
wie der König und dessen Gang und Haltung der König sich einstudiert, ging seit zwei oder drei Tagen aus und ein und sollte damit fortfahren bis zum Abend der Flucht, damit man sich daran gewöhnen möchte, diesen graugekleideten Mann vorübergehen zu sehen. Der Dauphin sollte als kleines Mädchen verkleidet werden. Die Königin, Madame Elisabeth, die königliche Prinzessin sollten mit den diensttuenden Frauen untermischt hinausgehen, und man hoffte, daß sie unter der Menge unbemerkt passieren würden. Die Fliehenden mußten aber auch Pässe haben. Herr von Fersen hatte es übernommen, auch hierfür zu sorgen. Eine Freundin von ihm, Frau von Corff, stand im Begriff, Paris zu verlassen. Sie hatte einen Paß für sich, ihre beiden Kinder, einen Kammerdiener und zwei Kammerfrauen. Diesen Paß hatte sie Herrn von Fersen überlassen, und dieser hatte ihn der Königin gegeben. Auf diese Weise gedachte man aus Paris hinauszukommen. Herr von Bouille, ein Mann von Mut und Verstand, auf welchen der König rechnen konnte, hatte sämtliche Truppen Lothringens, des Elsaß, der Franche-Comté und der Champagne unter seinem Kommando. Er war beauftragt, die Straße zu explorieren, welche von Chalons über Varennes nach Montmédy führt. In gewisser Entfernung auf dieser Straße aufgestellte und von treuergebenen Offizieren kommandierte Truppen sollten die Ankunft des Königs erwarten, und ihm zur Eskorte dienen. Herr von Bouillé hatte eine Million in Assignaten zugesendet erhalten, um alle Ausgaben bestreiten zu können. So standen die Dinge, als am 12. Juni abends Ferrari in Neapel ankam. Er hatte neun Tage gebraucht, um diesen Weg zurückzulegen und war folglich am 4. von Paris abgereist. Die Königin Marie Caroline schenkte ihm zweihundert Dukaten, forderte ihn auf, auszuruhen, und befahl ihm, sich auf jedes Ereignis gefaßt zu halten. Ferrari antwortete, vierundzwanzig Stunden Ruhe wären für ihn genug und die Königin könne auch noch vor Ablauf derselben über ihn disponieren.
51. Kapitel.
Während aller dieser Tage der Unruhe, die auf die Ankunft des Kuriers folgten, verlangte die Königin, daß ich in ihrer Nähe bliebe. Allen anderen gegenüber zeigte sie sich ungestüm, heftig und schroff. Gegen mich allein blieb sie sanft und gut, denn nur mir allein teilte sie ihre Hoffnungen und Befürchtungen mit. Der Kurier der Gesandtschaft kam alle Wochen. Der 16. war der Tag seiner Ankunft. Am 16., während die Königin mit mir in dem alten Park der Herzöge von Caserta spazieren ging, ward uns von einem der Huissiers des Palastes ein Sekretär aus dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zugeführt. Schon von weitem sah die Königin, daß dieser Sekretär einen Brief in der Hand hatte. Sie erhob sich von der Bank, auf der wir saßen, und ging ihm rasch entgegen. Der junge Mann verneigte sich und überreichte ihr den Brief. Die Königin öffnete diesen Brief, las ihn, machte ein Zeichen der Ungeduld und gab ihn dann mir. – »Haben Euer Majestät mir vielleicht Befehle zu erteilen?« fragte der junge Mann. – »Nein, ich habe Ihnen nur meinen Dank zu sagen.« – Der junge Mann verneigte sich abermals und fragte, ehe er sich entfernte, ob der Huissier ermächtigt wäre, ihm eine Quittung über den Brief zu geben und zu bescheinigen, daß derselbe in die eigenen Hände der Königin befördert worden.
Der Huissier erhielt Befehl, zu tun, was von ihm verlangt ward. Der junge Mann und er entfernten sich. Die Königin schlang ihren Arm um meinen Hals, las über meine Schulter hinweg und sagte: »Verstehst du?« – »Ja, vollkommen,« antwortete ich. – Und ich las laut: »Die Jagd ist auf den 21. verschoben. Um Mitternacht wird man aufbrechen, um bei Tagesanbruch auf dem Sammelplatz zu sein. Diese Verzögerung ist durch einen Kreditbrief verursacht worden, welcher den 20. fällig wird.«
Der Brief war ohne Unterschrift. Die Königin erkannte aber die Handschrift ihrer Schwester Marie Antoinette. »Wie! Euer Majestät begreifen nicht?« fragte ich. – »O doch,« sagte die Königin. »Man wird erst am 20. um Mitternacht anstatt am 18. abreisen, weil am 20. morgens der König den Vierteljahresbetrag seiner Zivilliste ausgezahlt erhält.« – »Und wieviel beträgt diese Summe?« fragte ich. – »Sechs Millionen.« – »Ah, das lohnt allerdings der Mühe,« sagte ich lächelnd. – »Ja,« antwortetedie Königin, »aber immer noch dauert es zwei Tage. Wer weiß, was in diesen zwei Tagen geschehen kann.« – Dann
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