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TITLE

Titel: TITLE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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schaffen können, wenn er diesen jungen Mann dargestellt hätte, der von den ihn umgebenden Kerzen beleuchtet ward, an eine Matratze zu Füßen der Freske, an die er sein Haupt lehnte, gefesselt war, nur mit einem schwarzen Beinkleide bekleidet, den Kragen auf die Schultern zurückgeschlagen, das Hemd auf der Brust offen. So sprach er mit seinen Gefährten über Tod und Unsterblichkeit. Er war wirklich wunderschön und man hätte ihn für den heiligen Johannes, den Lieblingsjünger des Herrn, halten können, hätte er nicht schwarzes Haar an Stelle der blonden Locken gehabt, die Leonardo da Vinci, der unsterbliche Maler des »heiligen Abendmahls«, dem Jünger gibt.

69. Kapitel.
    In dem Augenblicke, wo wir eintraten, hörten wir Worte, die wie eine sanfte Melodie klangen, und an dem Versmaß, wie an der energischen Form erkannte ich, daß der junge Neapolitaner Verse von Dante rezitierte. Da unser Eintritt durchaus kein Geräusch verursachte, und die Gefangenen gar nicht vermuteten, daß sie gehört und gesehen würden, so fuhr er fort. Ich habe schon gesagt, welchen Eindruck er auf mich hervorbrachte, als meine Blicke auf ihn fielen, um sich nicht wieder von ihm wegzuwenden; ich habe schon gesagt, daß er, wie er so da saß, sich auf die eine Hand stützte, während er die andere, so weit es die Länge seiner Kette gestattete, zum Himmel erhob, die Stellung eines Sokrates eingenommen hatte, und daß er das begeisterte Antlitz eines Propheten besaß.
    Ohne Zweifel dachte er, daß seine beiden Gefährten der Stützeund Ermutigung bedürften, denn er rezitierte ihnen den vierzehnten Gesang des » Paradieses «, in welchem Dante, von Beatrice geführt, bis in den Himmel des Mars steigt, und die Seelen derer findet, die für den wahren Glauben gekämpft haben, und die in Gestalt feuriger Zungen das Kreuz umgaben und das heilige Kruzifix verherrlichten.
    In den Augen dieses jungen Enthusiasten war der wahre Glaube die Freiheit, für die er starb, und seine Hoffnung, die er auch seinen Gefährten einzuflößen suchte, war die, eines Tages auch eine dieser melodischen feurigen Zungen zu sein.
    Jetzt, nachdem ich gesagt habe, was wir gesehen, werde ich auch sagen, was ich hörte.
    Als die Stimme deutlich an mein Ohr drang, hatte Emanuele bereits dreiviertel des Gesanges rezitiert und mit vibrierender Stimme, mit auf einen unbekannten Gegenstand geheftetem Auge war er an die Zeile gekommen:
    »Qui vince la memmoria mia lo'ngegno.«
    Seine Gefährten hörten ihm mit offenem Munde und lächelnden Lippen zu. Man hätte glauben können, sie sagten zu ihm: »Singe dein letztes Lied, du schöner Schwan der Freiheit!« Er war bis zu dem Verse gekommen:
    »Hier muß die Dichtkunst dem Gedächtnis weichen.«
    Und vielleicht dachte er jetzt nicht einmal mehr an seine Freunde und fühlte sich wie Dante von dem Anblick, der sich seinem geistigen Auge bot, hingerissen und bezaubert. Er fuhr fort:
    Am Kreuze leuchtend sah ich ragen Christus ,
So hell, daß es kein Wortbild kann erreichen.
    Doch wer sein Kreuz hat nachgetragen, Christus
Entschuldigt gerne, was ich hier verschwiegen, ^
Wird ihm in jenem Licht einst tagen, Christus .
    Von Arm zu Arm, vom Fuß zum Gipfel stiegen
Zuckende Lichter, und durch ihren Reigen
Schien beim Begegnen hellre Glut zu fliegen.
    So pflegen tanzend wohl mit Heben, Steigen,
Langsam und eilig, grade und geschweift,
Staubteilchen groß und winzig sich zu zeigen
    Im Sonnenstrahl, der durch ein Ritzchen streift
Zum dunkeln Raum, wenn Kühlung zu erringen
Absicht und Kunst nach einer Schutzwand greift.
    Und wie sich wohlgestimmte Saiten schwingen
Von Harfen oder Geigen süß im Klang,
Mag auch von fern die Weise unklar klingen,
    So aus den Lichtern, die das Kreuz umschlang,
Floß eine Melodie, mein Herz berauschend,
Obwohl kein Wort verständlich mir vom Sang,
    Als nur, daß er, erhabnen Lobspruch tauschend,
»Steh auf und siege!« rief; war's deutlich zwar,
So stand ich doch, umsonst nach Deutung lauschend.
    Während der Gefangene diese letzte Zeile sprach, war er so schön, so begeistert, er schien so überzeugt zu sein, daß seine Gefährten laut ihren Beifall kundgaben, wie einem Schauspieler gegenüber und indem sich das Klirren ihrer Ketten mit ihren Beifallsrufen vermischte. Plötzlich hörte man inmitten dieser Bravorufe und dieses Klirren der Ketten eine Stimme in dem Nebenzimmer, also in der Kapelle, welche rief: »Mein Sohn! wo ist er denn? wo ist mein Sohn?« Emanuele erkannte diese Stimme. »Vater,

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