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Vater!« rief er, »hier bin ich!« Er vergaß, daß er angekettet war, und machte eine so heftige Bewegung, um seinem Vater entgegenzustürzen, daß er eine der Ketten, die welche er am rechten Arme trug, sprengte. Der junge Mann ward aber mitten in seinem Sprung durch die Füßlinge und die Kette am linken Arme zurückgehalten und sank seufzend auf sein Lager zurück. In diesem Augenblicke erschien der alte Giuseppe de Deo an der Tür, eilte in die Arme seines Sohnes und rief: »Emanuele, teurer Emanuele!« Und Vater und Sohn hatten sich einen Augenblick lang umschlungen, wobei das schwarze Haar des jungen Mannes sich mit den weißen Locken des Greises mischte. Es herrschte ein Stillschweigen von einigen Augenblicken und man hörte nur das Schluchzen des alten Vaters, dessen Herz bei der Umarmung des Sohnes in Tränen zerfloß. Der Greis brach das Schweigen zuerst. »Sie wissen,« sagte er zu den beiden Kerkermeistern, die ihn begleitet hatten, »daß ich das Recht habe, allein mit ihm zu bleiben.« Ohne Zweifel waren die Kerkermeister von dieser, dem armen Vater gewährten Gnade unterrichtet, denn sie lösten bereits die Ketten der anderen beiden Gefangenen, die sie dann in die Kapelle hinausführten. Vater und Sohn blieben allein.
»O Madame,« flüsterte ich der Königin ins Ohr, »wird man ihm nicht die Ketten abnehmen, damit er wenigstens in diesem Augenblick des Glücks, das er Ihnen verdankt, vergißt, daß er Gefangener ist?« – »Er mag um diese Gnade bitten,« erwiderte die Königin, »und sie soll ihm gewährt werden.« – Als ob selbst die Gefangenenwärter von dieser Lage gerührt worden wären, kamen sie wieder herein und befreiten Emanuele de Deo von den Fußschellen und der letzten Fessel, an die seine linke Hand gekettet war. – Er erhob sich, schüttelte das Haupt wie ein junger Löwe, der soeben seine Freiheit wiedererlangt hat, und stieß einen Seufzer der Befriedigung aus. »O mein lieber Vater!« rief er freudig, als ob alle Gefahr vorüber sei, »wie mich dieses Wiedersehen freut! – Und welchem Wunder verdanke ich dieses Glück deiner Gegenwart und dieses Augenblicks der Freiheit?« – »Es ist allerdings ein Wunder, geliebter Emanuel, und ich kann kaum daran glauben,« erwiderte der Greis. »Ich war in der St. Brigittenkirche, wo ich Gott um Hilfe für uns anflehte, als eine Dame mich im Namen der Königin holte.« – »Im Namen der Königin?« rief Emanuel, indem er seinen Vater mit dem größten Erstaunen anblickte. Und während sich seine Stirn sichtbar umdüsterte, wiederholte er: »Im Namen der Königin? Das ist unmöglich!« – »Das habe ich anfangs auch gesagt, ich habe es aber doch glauben müssen. Ich folgte der Dame, wir stiegen in einen Wagen und sie nahm mich mit auf das Schloß.« – »Und du kennst diese Dame?« fragte der junge Mann lebhaft. – »Nein,« erwiderte der Greis zögernd. – »O, du kennst sie, Vater,« hob Emanuel wieder an.«Ist es die Marquise von San-Marco, die Baronin von San-Clemente?« – Der Greis schüttelte das Haupt. – »Bitte, Vater, sage mir, wer die Dame war!« – »Ich glaube,« erwiderte Don Giuseppe mit sichtbarer Furcht, daß sein Geständnis schlimm aufgenommen werden möchte, »ich glaube, es war die Gemahlin des englischen Gesandten.« – »Die Gemahlin des englischen Gesandten! Lady Hamilton! Emma Lyonna! Und wer hat diesem verlorenen Geschöpf das Recht gegeben, sich in unsere Angelegenheiten zu mischen?« – »Mein Sohn,« rief der Greis, »sprich nicht in dieser Weise von ihr. Ich möchte schwören, daß sie es gewesen ist, die bei der Königin um Gnade für dich gebeten hat.« – »Um Gnade für mich, bei der Königin? Was sagst du da, Vater? Da die Königin es ist, die uns verurteilen läßt, so kann sie uns doch nicht begnadigen wollen?« – »Ich versichere dir diese Gnade aber dennoch.« – »Du versicherst mir sie?« – »Ja, jedoch unter einer Bedingung.« – »Ah!« sagte Emanuele mit einem verächtlichen Zucken seiner Lippen. »Laß diese Bedingung hören, Vater.« Und der junge Mann setzte sich auf einen Schemel. Sein Vater legte ihm die Hand auf die Schulter. »Vor allen Dingen, mein Sohn,« sagte der Greis, »mußt du bedenken, wie groß meine Liebe zu dir ist und in welchen Schmerz, in welche Vereinsamung mich dein Tod versetzen würde...« – »Vater, sage mir sogleich, welches diese Bedingung ist, denn sonst muß ich glauben, was ich bereits vermute, nämlich, daß sie anzunehmen geradezu unmöglich
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