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zwanzigtausend, sondern mit vierzigtausend Mann, und es schien uns unmöglich, daß eine solche Überlegenheit der Zahl uns nicht den Sieg sichern sollte. Überdies war der König seines Erfolges so sicher, daß seine Ruhe uns aller Besorgnis enthob. Seine Briefe waren voll von Beschreibungen von Festen, die man ihm zu Ehren veranstaltet. Wenn er durch die Straßen von Rom schritt, ging er stets auf Teppichen und unter einem Blumenregen. Am Abend herrschte in dem Apollotheater die größte Pracht. Die Depesche, die uns diese Einzelheiten brachte, war vom 6. Dezember. Wir zeigten sie Lord Nelson, indem wir ihn aufmerksam machten, daß Mack mit nicht nur zwanzigtausend, sondern sogar mit vierzigtausend Mann dem Feind entgegenrückte. Alles das überzeugte ihn aber nicht. Er hatte gleich bei dem ersten Zusammentreffen mit dem General Mack eine ziemlich schlechteMeinung von diesem gefaßt. Er verließ uns gegen fünf Uhr abends und wir, die Königin und ich, blieben mit einigen Damen, die unsere gewöhnliche Gesellschaft ausmachten, allein. Zwischen sieben und acht Uhr, als wir den Tee tranken, hörten wir das Rollen eines Wagens, der unter der Wölbung des Palastes hinfuhr, dann einen großen Lärm von Dienern, welche die Treppen hinabeilten. Die Königin wurde sehr blaß. Ich sah sie fragend an. »Ah!« sagte sie zu mir, »ich habe eine Ahnung.« – »Welche, Madame?« fragte ich sie. – »Daß es der König ist, der soeben ankam.« – »Der König? Unmöglich, Madame! Wir haben ja erst diesen Morgen einen Brief von ihm erhalten.« – Die Tür öffnete sich, ein Türsteher meldete: »Seine Exzellenz der Herzog von Ascoli!« – Der Herzog von Ascoli trat ein. Die Königin und ich stießen einen Ruf des Erstaunens aus. Er trug das Kostüm des Königs. Da er von demselben Wuchse und Alter war wie der König, und da überdies Zwielicht im Zimmer herrschte, so hielten wir ihn auf den ersten Blick wirklich für den König selbst.
Die Königin bemerkte jedoch diesen Irrtum sehr bald und ihr ehelicher Instinkt ließ sie unter dieser Verkleidung etwas Schmachvolles vermuten. Sie erhob sich und fragte in strengem Tone: »Was soll diese Maskerade bedeuten, Herzog?« – »Ach, Madame, nichts Fröhliches!« antwortete der Herzog. »Wenigstens ist sie aber ein Beweis, wie sehr ich dem König ergeben bin.« – »Dem König? Und wo ist er, der König?« – »Hier, Madame.« Die Königin sah mich an. »Und wo denn hier?« versetzte sie. – »In seinem Zimmer.« – »Ah, ah! Er wagt nicht, sich vor mir zu zeigen, wie es scheint.« – Und nach einem Augenblicke des Schweigens setzte die Königin hinzu: »Die Neapolitaner sind geschlagen worden, nicht wahr?« Der Herzog zögerte mit der Antwort. »Wohlan,« sagte die Königin, »wenn der König ein Weib ist, so bin ich ein Mann; sagen Sie alles.« – »Vollständig geschlagen, ja, Madame.« – »Braver Nelson!« sagte sie, indem sie sich zu mir wendete. »Du siehst es, sein Instinkt hat ihn nicht getäuscht. Dieser General Mack ist also, wie wir wohl ahnten, wirklich ein Dummkopf?« – »Ich kann Euer Majestät nichts weiter sagen, als daß die neapolitanischen Truppen gänzlich geschlagen worden sind.« – »Sie sind dieser Nachricht gewiß?« – »Wir, der König und ich, haben sie aus dem Munde des Generals Mack selbst.«
Die Königin nahm meine Hände und drückte sie krampfhaft. »Das Schicksal will, daß ich den Becher der Schmach bis auf denBoden leere,« murmelte sie. – »Aber, mein Herr,« fragte ich den Herzog, während die Königin ihr Taschentuch zwischen den Zähnen zerriß, »können Sie Ihrer Majestät gar keine Einzelheiten mitteilen?« – »Ich kann der Königin weiter nichts sagen, als was ich selbst weiß.« – »So sagen Sie es doch!« rief die Königin, »und machen Sie schnell, denn ich muß gestehen, daß es mich zu wissen drängt, zu welchem Zwecke Sie auf dem Rücken das Kleid und am Halse die Orden des Königs tragen.« – »Wollen Eure Majestät geduldig anhören,« sagte der Herzog von Ascoli, indem er sich verneigte, »sonst werde ich gezwungen sein, zu dem Könige zurückzukehren und ihm zu sagen, daß Sie mich nicht haben anhören wollen.« – »Sie appellieren an meine Geduld, mein Herr. So sei es denn; ich verspreche Ihnen, ruhig zu sein. Sprechen Sie!« – »Nun, Madame, wir waren gestern in der Loge Seiner Majestät im Theater Apollo, als ungefähr gegen neun Uhr abends die Tür hastig aufgerissen ward, und wir den General Mack
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