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lesen, sagte sie zu mir: »Du verstehst wohl, daß ich diesem Egoisten, der seinen besten Freund an seiner statt gefangennehmen lassen will, die Sorge, über unsere Sicherheit zu wachen, nicht überlassen mag. Er wäre imstande, mit seiner Jagdflinte und seinen Hunden nach Sizilien zu fliehen, ohne sich um uns zu kümmern.« – »Wie, nach Sizilien zu fliehen? Sie glauben, Majestät, daß der König Neapel zu verlassen gedenkt?« – »Und was willst du, was er sonst tun soll? In vierzehn Tagen werden die Franzosen hier sein. Glücklicherweise bleibt uns Nelson. Wie steht es mit ihm? Du hast ihn hoffentlich nicht zur Verzweiflung getrieben.« – »Nelson wird alles tun, was wir wünschen,« antwortete ich lächelnd. – »Gut. Es ist zu spät, um ihm sagen zu lassen, heute abend noch ans Land zu steigen, aber morgen ganz früh müssen wir uns mit ihm besprechen.« – »Warum wäre es heute abend zu spät? Zwei Worte von mir werden ihn bewegen, zu jeder beliebigen Nachtstunde hierher zu kommen. Jetzt ist es acht Uhr, halb zehn können wir in Neapel sein; um zehn kann er mein Billett haben; eine halbe Stunde darauf wird er im Palaste sein.« – »So sei es denn. Du wirst ihn empfangen, du wirst ihm alles sagen. Währenddessen werde ich mit Acton sprechen. Nicht wahr, du siehst ein, daß Nelson mit Leib und Seele unser sein muß? Es steht einfach das Leben auf dem Spiele.« – »O, Majestät –« »Die Jakobiner von Paris haben mit meiner Schwester keine Umstände gemacht. Glaubst du, daß die von hier sich mehr Zwang antun werden? Überdies kann Nelson vom Lord Saint-Vincent einen Befehl erhalten, der ihn von uns entfernt. In diesem Falle aber muß er selbst einem Befehle vom Lord Saint-Vincent, ja sogar einem Befehle von der Admiralität, wenn von daher einer käme, ungehorsam sein.« – »Eintretenden Falls,« antwortete ich der Königin lachend, »werden mir Ew. Majestät sagen, was ich tun muß, damit er ungehorsamsei; ich werde es tun und er wird nicht gehorchen.« – Man hatte soeben gemeldet, daß angespannt sei. »Komm'!« sagte Karoline. – »Wollen Ew. Majestät es nicht dem Könige melden lassen?« – »Wozu?« – »Wenn er nun Se. Exzellenz den General-Kapitän zu sich ruft?« – »Acton wird erst dann kommen, nachdem er mich gesehen hat. Gehen wir hinunter.«
Wir eilten schnell hinab, ohne jemand davon zu benachrichtigen. Die Königin hüllte sich in einen Kaschemirshawl, denn es regnete in Strömen und es war kalt. Wir sprangen in den Wagen, schlossen die Fenster und der Kutscher fuhr im Galopp davon. Karoline hatte sich sorgenvoll in den Wagen zurückgeworfen. Man hätte glauben können, sie schliefe, wenn nicht von Zeit zu Zeit nervöse Schauer sie zittern gemacht hätten, und indem sie zitterte, murmelte sie entweder das Wort Geck , welches Mack, oder das Wort Feigling , welches ihrem Gemahl galt. Dann rief sie: »O Nelson, braver Nelson! Es gibt keine Hoffnung mehr als auf ihn, Emma!« Und ich drückte ihr die Hand, indem ich sagte: »Seien Sie unbesorgt, Madame, ich stehe für ihn wie für mich selbst.« Nach einer und einer halben Stunde nach der Abfahrt von Caserta waren wir in dem königlichen Palast. Noch ehe wir aus dem Wagen stiegen, fragte die Königin, ob der General-Kapitän Acton im Schlosse sei. Er war glücklicherweise da. »Saget ihm, daß ich ihn augenblicklich bei mir erwarte,« sagte Karoline. Und wir stiegen die Treppe hinauf. Alle, welche sich zeigten, um der Königin Ihre Dienste anzubieten, Männer sowohl wie Frauen, entfernte sie wieder und antwortete: »Ich danke.« – Wir traten allein bei ihr ein. Der Diener stellte einen Kandelaber auf einen Tisch und fragte nach den Befehlen der Königin. »Laßt niemanden ein als Mr. Acton, Mylord Nelson und Sir William Hamilton,« antwortete sie mit jener Klarheit des Tones und jener Kürze der Worte, die bei ihr allemal eine heftige Gemütsbewegung verrieten. Sie legte selbst Federn, Papier und Tinte auf einen Tisch. »Schreibe ihm,« sagte sie dann zu mir. Ich nahm die Feder und schrieb flüchtig diese wenigen Worte hin: »Kommen Sie! Wir erwarten Sie im Palast, die Königin und ich, in wichtiger Angelegenheit.
»Emma.«
»Was hast du ihm geschrieben?« fragte die Königin. – »Zu kommen, das ist alles.« – »Wie, alles?« – »Es ist nichts weiter nötig.« – »Emma! Emma!« sagte die Königin, »du wirst ihn entschlüpfen lassen.«
»Bin ich Ihr Lotse? Ja oder nein!« – »Sicherlich, aber –« »Dann mischen
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