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Sie sich nicht in die Führung des Schiffes, sondern lassen Sie mich handeln.« – »So handle!« – Während sie aber ihre Einwilligung gab, zuckte sie mit den Achseln, was verriet, daß sie an meiner Stelle anders gehandelt haben würde. Ich beunruhigte mich aber nicht darüber. »Nun,« sagte ich zu ihr, »durch wen werden Eure Majestät den Brief forttragen lassen?« – »Das kommt Acton zu. Durch den Kriegshafen ist man in zehn Minuten an Bord des »Vanguard«. In diesem Augenblick trat Acton ein: »Irgendein Unglück, nicht wahr, Madame?« sagte er, indem er sich der Königin mit einem Gesichte näherte, in welchem seine Unruhe sich ausprägte. »Ja,« sagte Karoline, »und zwar ein sehr großes Unglück. General Mack ist geschlagen worden, und der König ist vor zwei Stunden in Caserta angekommen, nachdem er Wunder von Tapferkeit vollbracht hat.« Und sie brach in ein gellendes, nervöses Gelächter aus, wie es ihr in übergroßer Aufregung eigen zu sein pflegte. Und als Acton sie mit wachsendem Erstaunen ansah, versetzte sie: »Sie sollen in einem Augenblicke alles wissen, vor allen Dingen aber lassen Sie dieses Billett Lord Nelson zukommen. Es ist notwendig, daß es den Kriegshafen ohne Hindernisse passiere.« – »Ich werde in den Binnenhafen hinuntergehen,« antwortete der General, »um selbst die Barke, die Mylord holen soll, abzuschicken und dem Offiziere meine Befehle zu erteilen.« Und der General entfernte sich. – »Er hat wenigstens das Gute, daß er gehorsam ist,« sagte die Königin, indem sie ihm mit den Augen folgte. – »Warum tun Sie ihm nicht die Ehre an, ergeben zu sagen?« – »Weil das ein Wort ist, welches nicht in dem Wörterbuche der Höflinge steht.« – »So! und der Herzog von Ascoli?« – »Dieser ist nicht der Höfling des Königs, sondern sein Freund. Wenn der König glücklich und heiter ist, so ist es Ascoli, der ihm die bittersten Wahrheiten sagt; er ist nicht wie du Schmeichlerin, die du mir deren nie sagst.« – »Ist es mein Fehler, wenn die bittersten Wahrheiten, die man Euer Majestät sagen könnte, nur Lobeserhebungen sind?«
Die Königin küßte mich auf die Stirne und fing an hin und her zu gehen. Von Zeit zu Zeit ging sie nach der Terrasse und warf einen Blick durch die Dunkelheit auf die englische Flotte, von welcher man jedes Schiff an seinen Lichtern erkannte, und jedes Mal murmelte sie: »O Nelson! unsere einzige Hoffnung steht auf dir!« Einmal sagte sie, indem sie auf mich zukam: »Begreifstdu es? Zweiundfünfzigtausend, mit allem versehene, gut besoldete Neapolitaner lassen sich von zehn- oder zwölftausend Franzosen, die halb nackt, ohne Sold, ohne Brot, ohne Schuhe, ohne Pulvervorrat sind, schlagen! Jetzt sind sie mit allem versehen, außer mit Schuhen, wenn nicht etwa unsere Soldaten die ihrigen weggeworfen haben, um noch schneller fliehen zu können. O! wenn ich ein Mann wäre, wie hätte ich mich unter diese Memmen gestellt! Wie hätte ich allen Offizieren, die nur dazu gut sind, bei der Parade ihre Silberstickerei spiegeln und ihre bunten Federn im Winde flattern zu lassen, die Epauletten heruntergerissen. Es gibt Augenblicke, auf mein Ehrenwort, wo ich Lust habe, zu Pferde zu steigen, wie meine Mutter Maria Theresia, um diesen trägen König zu beschämen. Unglücklicherweise aber habe ich es nicht mit Ungarn, sondern mit Neapolitanern zu tun.« Unterdessen trat Acton wieder ein. »Hier bin ich, Madame,« sagte er. »Der Brief ist abgeschickt, und wenn Mylord nur halb so eilig ist, Euer Majestät zu dienen, wie ich es sein würde, so wird er in einer Viertelstunde hier sein. Wollen Euer Majestät mir sagen, um was es sich handelt?« Die Königin führte ihn in das Zimmer nebenan. Sie wollte mich mit Nelson allein lassen; vielleicht hatte sie auch einige jener geheimen und furchtbaren Befehle zu erteilen, die ich häufig erst kennen lernte, wenn sie schon ausgeführt waren.
Wirklich erfuhr ich auch später, daß zwischen der Königin und dem Generalkapitän von dem Kurier Ferrari die Rede gewesen, in dessen Hände man den von Sir William und Acton verfaßten Brief anstatt des von dem Kaiser von Österreich geschriebenen untergeschoben. Man fürchtete, daß Ferrari den Betrug enthülle, und Ferdinand auf diese Weise erführe, daß sein Neffe Franz, anstatt ihn zum Ausrücken aufzufordern, ihm schrieb, er werde sich vor Ankunft der Russen, also vor Monat April oder Mai, nicht von der Stelle rühren. So wurde denn in dem Augenblicke, wo ich allein
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