TITLE
in dem ich kaum den fünften oder sechsten Teil meiner Person sehen konnte, deklamierte und gestikulierte. Am nächstfolgenden Tage fragte Mistreß Plowden, entweder aus Naivetät oder aus Ironie, ob ich die Gewohnheit hätte, laut zu träumen, denn meine Zimmernachbarn hätten sich beschwert, daß ich sie im Schlafe gestört. Sie bat mich daher, möchte ich nun schlafend oder wachend träumen, den Klang meiner Stimme ein wenig zu mäßigen. Dies hieß mit anderen Worten mir befehlen, der einzigen wirklichen Freude zu entsagen, welche mir, seitdem ich auf der Welt war, beschieden gewesen. Ich setzte meine nächtlichen Studien fort, natürlich mit gedämpfter Stimme. Mein großer Traum wäre damals gewesen, mich einem Theaterdirektor vorzustellen und mich von ihm engagieren zu lassen. Ich dachte daran, Mr. Sheridan empfohlen zu werden. Ich hatte seinen Namen nicht vergessen, obschon ich damals noch keinen Begriff von der Berühmtheit hatte, die sich daran knüpfte. Wie solle ich aber eine solche Bitte an Mr. Hawarden stellen? Woher sollte ich den Mut nehmen, ihm zu sagen, daß ich Mr. Plowdens Kaufladen mit dem Theater, daß ich den geraden Weg, den er mir eröffnet, mit dem krummen vertauschen wollte, den er mir zu verschließen geglaubt? Ich fühlte, daß ich diesen Mut, diese Kraft niemals haben würde. Was sollte ich tun? Warten, das heißt mich auf eins oder das andere jener seltsamen Ereignisse verlassen, welche plötzlich die Zukunft eines Lebens verändern, und mich in dem Schiffbruche an die dünne Planke der Hoffnung anklammern. So vergingen vierzehn Tage, vielleicht die schmerzlichsten, welche ich bis damals zugebracht. Ich war seit etwas länger als einem Monat bei Mr. Plowden und erlitt seit ungefähr vierzehn Tagen die Qualen, welche ich soeben zu schildern versucht, als eine elegante Equipage vor der Tür des Kaufladens hielt und ein Lakai in perlgrauer und kirschroter Livreedie Tür des Wagens öffnete, aus welchem eine wunderbar schön gekleidete Dame stieg. Als ich meinen Blick auf diese Dame warf, war ich nahe daran, einen lauten Schrei auszustoßen. Es war Miß Arabella!
Mit ihrem stolzen, entschiedenen Schritt trat sie in den Kaufladen. Es war, als sähe man die Göttin der Mode und des Reichtums, oder noch besser gesagt Fortuna in eigener Person. Sie sah mich sofort, und ihr Blick kreuzte sich mit dem meinigen, keine Muskel ihres Gesichtes aber verriet, daß sie mich erkannte. Es setzte mich dies durchaus nicht in Erstaunen. Ohne Zweifel hatte man vergessen, ihr meinen Namen zu geben. Sie glaubte, wenn sie sich nämlich meiner überhaupt noch erinnerte, jedenfalls, ich sei noch in Wales, und das einzige, was ihre Blicke, als sie mich in London in einem Bijouterieladen des Strand bei Mr. Plowden fand, auf meine Person lenken konnte, war ein durch die Ähnlichkeit hervorgerufenes Erstaunen. Dieses Erstaunen gab sich aber auf keinerlei Weise kund. Sie ließ sich mehrere Schmucksachen zeigen, und obschon ich mit dieser Vorzeigung beauftragt ward, so sprach sie doch mit mir wie mit einer Person, die ihr vollkommen unbekannt gewesen wäre. Ihre Wahl richtete sich auf einen Schmuck von Smaragden und Diamanten, dreitausend Pfund an Wert. Nachdem sie ihre Wahl getroffen, sagte sie: »Schicken Sie mir heute nachmittags fünf Uhr diesen Schmuck mit der quittierten Rechnung in mein Hotel.« Zugleich sah sie mich an, und setzte dann zu Mr. Plowden gewendet hinzu: »Schicken Sie diese junge Dame.« Ich fühlte wie ein Schauer meinen ganzen Körper durchrieselte. Mr. Plowden antwortete, ihr Wunsch werde pünktlichst, erfüllt werden, und geleitete sie dann mit einer Menge Komplimenten und Verbeugungen wieder nach ihrem Wagen zurück. »Diese junge Dame und keine andere,« sagte Miß Arabella nochmals, ehe sie m den Wagen stieg. »Verstehen Sie, Mr. Plowden? Wenn Sie mir jemand anders schicken, so bezahle ich Ihnen Ihren Schmuck nicht bloß nicht, sondern sende Ihnen denselben zurück, um nie wieder etwas bei Ihnen zu kaufen.« – »Seien Sie unbesorgt, Mylady,« sagte Mr. Plowden, »es soll alles geschehen, wie Sie befehlen.« Miß Arabella winkte mit der Hand, und der Wagen fuhr in scharfem Trabe davon.
Ich stand da, wie vernichtet. Das unerwartete Ereignis, welches ich angerufen, ohne es auch nur bestimmt bezeichnen zu können, war, gleich jener durch den Stab eines Zauberers improvisiertenmagischen Erscheinungen, sofort herbeigeeilt. Ich hatte nicht Miß Arabella gesucht, sondern Miß Arabella hatte mich
Weitere Kostenlose Bücher