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TITLE

Titel: TITLE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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Balkonszene blieb uns noch die Fensterszene zu spielen übrig. Nach dem Ausdruck der Sehnsucht hatten wir den des Glücks zu malen. Ich fürchtete diese zweite Leistung sehr und bat, Ermüdung vorschützend, Sir John leise und seine Freunde laut, mir das weitere zu erlassen. Das krampfhafte Jucken meiner Muskeln aber, mein funkelnder Blick und der fieberhafte Klang meiner Stimme verrieten im Gegenteil, daß ich mehr der Ermüdung als der Ruhe bedurfte. Die Zuhörer beharrten auf ihrem Verlangen. Mein Herz stimmte mit diesen Bitten zu sehr überein, als daß ich lange hätte widerstehen können. Ich gab nach. Diesmal hatten wir, Sir Harry und ich, wie man sich erinnern wird, gemeinschaftlich auf dem Balkon zu erscheinen. Mein Arm mußte seinen Hals umschlingen, meine Augen sich in die seinigen verlieren und unser beider Herz vor Liebe beben. Sir Harry sah sich daher in dieser improvisierten Kulisse einen Augenblick lang mit mir allein. Er näherte sich mir, umschlang mich mit seinem Arm und drückte mich an sein Herz, indem er das einzige Wort murmelte: »Endlich!« Ich ward wie von einem elektrischen Schlag durchschauert. Meine Augen schlossen sich, ich schlang meine Arme um Romeos Hals, indem ich einen leisen Schrei entschlüpfen ließ. Dann weiß ich nicht mehr, wie es geschah, aber es war als würden meine Lippen von einer Flamme berührt. Es war nicht der erste Kuß, den Julia empfing, wohl aber der erste, den Romeo ihr gab.
    Ich fühlte mich einer Ohnmacht nahe. Sir Harry zog mich in der Richtung des Fensters. Ich machte eine gewaltige Anstrengung über mich selbst und war wieder Herrin meines Willens. Eine ganze Nacht der Liebe hätte mich nicht besser auf jenen so berauschenden und zugleich so schmerzlichen Abschied vorbereiten können, welcher der ewigen Trennung der Liebenden von Verona vorangeht.
    Unser Erscheinen ward mit einstimmigem Beifall begrüßt. DieReihe des Beginnens war an mir. Selbst die studierteste Kunst hätte in meine Stimme keinen so wahren Ausdruck legen können wie der Zustand, in welchem sich mein Herz befand. Die schönen Verse Shakespeares entquollen meinem Munde wie der süßeste Honig, und als Sir Harry antwortete, er verlange nichts inniger, als bei mir zu bleiben und für mich zu sterben, verkündete ein dreifacher Beifallssturm, daß jeder bereit sei, es ebenso zu machen wie der falsche Romeo. Unsere Szene hatte ihren Fortgang und machte alle Phasen durch, womit Shakespeares gewaltiges Genie sie koloriert hat. Als Romeo aber sich meinem Arm entwand, war es mir, als löste meine Seele sich von mir, und ich sank wie geknickt auf die Knie nieder. Man nahm das, was nur eine Schwäche des Körpers war, für eine Begeisterung des Herzens. Ich spielte den übrigen Teil der Szene über den Balkon hinausgebeugt und mich an das Geländer anklammernd. Als Romeo sich, mir sein letztes Lebewohl zuschickend, entfernte, machte mein Trennungsschmerz sich auf eine Weise Luft, daß man nicht anders glauben konnte, als es sei wirklich der Schmerzensschrei eines Körpers, der seine Seele sich losreißen fühlte.
    Vergebens würde ich versuchen, den Enthusiasmus, welchen diese Szene hervorrief, und den wahnsinnigen Beifall, der ihr folgte, zu schildern. Was mich betraf, so war ich halb ohnmächtig auf dem Balkon zurückgeblieben. Sir John näherte sich mir, richtete mich in seinen Armen empor und trug mich mehr, als er mich führte, in die Mitte seiner Freunde zurück. Sir Harry bekam ebenfalls seinen Anteil an den Lobsprüchen, die er aber bescheiden ablehnte und ausschließlich mir zuwies. Sir John faßte unsere beiden fieberhaft glühenden Hände in die seine, welche kalt und feucht war, und sagte: »Wenn Romeo und Julia einander so geliebt hätten, wie ihr, so würde der Tod, so unerbittlich er sonst auch ist, nicht den Mut gehabt haben, sie zu trennen.«
    Ich betrachtete ihn mit Erstaunen und zog meine Hand zurück, die er mir erst nach einem feurigen Druck zurückgab. Wir tranken Tee, dann zog Sir John seine Uhr heraus. »Meine Herren,« sagte er, »um zwölf Uhr bin ich genötigt, Sie zu verlassen. Die Admiralität hält eine Nachsitzung. Wir haben also noch eine Viertelstunde miteinander zuzubringen.« Dann nahm er mich beiseite und fuhr fort: »Ihnen, liebe Emma, sage ich nicht Lebewohl. Es ist möglich, daß die Sitzung zeitig genug endet, um mir zu gestatten, wiederzukommen und die Nacht bei Ihnen zuzubringen.Warten Sie jedoch nicht auf mich, sondern legen Sie sich zu Bett und schlafen Sie.

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