TITLE
großes Gewächshaus und schon den nächstfolgenden Morgen ließ Sir John Payne einen Tischler mit fünf bis sechs Gesellen holen, welche einen Balkon aufschlugen. Man umgab die Estrade mit Tropenpflanzen, schmückte sie mit Blumen und um zwei Uhr nachmittags war das Theater fertig.
In diesem Augenblicke kam ein Bote von der Admiralität, welcher sehr eilige Depeschen überbrachte. Sir John las dieselben, ward bleich und sagte mit sichtbar veränderter Stimme zu dem Boten: »Meldet den Lords, daß ich ihnen pünktlich gehorchen werde.« – Ich bemerkte die Aufregung des Admirals und während der Bote sich entfernte ging ich auf ihn zu, faßte ihn beim Arm und fragte ihn, ob die Depesche vielleicht eine schlimme Nachricht enthielte. »Ja, eine sehr schlimme Nachricht,« entgegnete er, indem er sich bemühte zu lächeln. »Die Lords der Admiralität halten eine Nachtsitzung und ersuchen mich, derselben beizuwohnen.« – »Dann,« sagte ich, »verschieben wir unsere heutige Abendgesellschaft auf einen anderen Tag.« – »Nein,« sagte er, »im Gegenteil; wenn unsere Gesellschaft nicht heute abend stattfindet, wer weiß dann, wann wir uns wieder zusammenfinden werden. Ich brauche erst um Mitternacht von hier fortzugehen und mir haben daher vollauf Zeit, unsere beiden Szenen zu spielen. Mittlerweile kommen Sie und schenken Sie mir einige Minuten; ich werde Ihnen dankbar dafür sein.« Ich betrachtete ihn mit unruhigem Blick. Warum sollte Sir John, der mich doch ganz allein für sich besaß, mir für einige Minuten, die ich ihm schenkte, dankbarsein? Ich wagte nicht ihn deshalb zu befragen, und da er seinen Arm um mich geschlungen, so ließ ich mich von ihm hinwegführen.
Der Abend kam. So wie die Zeit verging, ward Sir John immer trauriger und ich selbst fühlte mich, ich wußte nicht warum, von einem unglaublichen Frösteln ergriffen. Das Herz schnürte sich mir zusammen und dennoch besaß dieses Gefühl zugleich einen gewissen Reiz. Es war mir, als wenn ich etwas Unbekanntes zugleich fürchtete und hoffte. Ich dachte mir Sir Harry in seinem schwarzen Kostüm. Ich glaubte, Romeos Wams müßte zu seinem aristokratischen Gesicht wunderschön stehen. Im Laufe des Tages hatte er dieses Kostüm geschickt und man hatte es in die an das Treibhaus stoßende Wohnung des Gärtners getragen. Aus dieser sollte Harry herauskommen, um am Fuße meines Balkons zu erscheinen. Um neun Uhr fand er sich in seiner gewöhnlichen Kleidung ein. Er schien vor Freude förmlich zu strahlen und diese Freude beleuchtete sein Gesicht wie eine Glorie. Ich konnte nicht umhin ihn sehr schön zu finden und der Ton seiner Stimme machte, wie am Abend vorher, einen gewaltigen Eindruck auf mich.
Er kam auf mich zu, küßte mir die Hand und sagte zu mir: »Guten Abend, teure Julia.« – Diesmal war ich unruhig und verlegen und gab keine Antwort. Ich wäre kaum imstande gewesen, eine zweite Rede nach Art der ersten zu halten. Zum Glück war dies nicht nötig, weil schon alles im voraus besprochen war. Um halb zehn Uhr beschäftigte sich jeder von uns mit den Einzelheiten seiner Toilette. Ich bin stets, selbst mit den kompliziertesten Toiletten sehr rasch fertig gewesen, denn ich trug, ausgenommen bei großer Gala, mein Haar stets ohne Puder. Die Herren gingen hinunter in das Gewächshaus, welches ganz allerliebst erleuchtet war. Zwischen den beiden Szenen sollte uns der Tee serviert werden. Als ich fertig war, ward Sir Harry durch eine im Innern angebrachte Klingel in Kenntnis gesetzt, daß er nun auftreten könne.
Ich hatte mich nicht geirrt. Das mittelalterliche Kostüm stand ihm bewundernswürdig gut und er war auf diese Weise vollkommen schön. Er näherte sich meinem Balkon wie ein vollendeter Künstler oder wie ein leidenschaftlicher Liebhaber und begann die schon in einem früheren Kapitel mitgeteilten Verse zu deklamieren. Gleich bei den ersten Worten zuckte ich zusammen. Es war wirklich dieselbe Stimme, es war wirklich dieselbe Betonung, die ich in Miß Arabellas Garten gehört. Entweder lag hier ein unerhörtes Wunder von Ähnlichkeit vor, oder ich hatte meinen Harrywiedergefunden, den ich für immer verloren geglaubt. Andererseits aber war es unmöglich, daß der edle Sir Harry Featherson derselbe wäre wie der bescheidene Künstler, mit dem ich mich auf so malerische und so geheimnisvolle Weise in Beziehung gesetzt. Es war immer noch besser, an eine allerdings unwahrscheinliche, aber doch mögliche Ähnlichkeit der Stimme, als an eine mehr
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