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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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hatte, daß er und seines Vaters Reich, daß alle Völker, die er kannte, sehr klein waren angesichts der Größe und Erhabenheit der Zeit. War es von Bedeutung, würde es jemals für irgend jemanden von Bedeutung sein, ob ein kleiner Prinz – Tamino mit Namen – aus einem unbe-deutenden Reich, auf einer winzigen Welt inmitten unzähliger Sterne lebte oder starb, ob jener die Prüfungen siegreich bestand und Pamina heiratete… oder ob er hier in der ver-gessenen Gruft eines Volkes verging, das gelebt und gelitten hatte, gestorben und verschwunden war? War irgend etwas von Bedeutung? Warum war er, Tamino, hier und unterzog sich unbekannten Prüfungen?
    Er hatte sein Wort gegeben. War das aber Grund genug? All die Menschen dieser längst vergangenen Zeiten hatten sich unbekannten Zielen verschrieben und vergessene Absichten verfolgt, die jetzt niemandem mehr etwas bedeuteten. Es war auch nicht mehr wichtig, ob sie ihr Versprechen gehalten und in Ehren gelebt hatten oder wortbrüchig geworden und unbeachtet gestorben waren. Würde es in späteren Zeiten von Bedeutung sein, ob er die Prüfungen bestanden hatte oder nicht, ob er überhaupt am Leben gewesen war?
    Ihm schwindelte, weil er plötzlich begriff, was Zeit bedeutete und was sie verschlang. Tamino preßte den schmerzenden Kopf gegen den kalten Stein. Warum war er hierher gekommen? Er wäre wahrscheinlich davongelaufen, hätte sich ihm eine Tür geöffnet.
    Tamino wußte nicht, wie lange er so dasaß. Doch das Licht einer Lampe und das Geräusch von Schritten riefen ihn in die Gegenwart zurück. Die beiden Priester, die sie geleiten sollten, kamen zurück.
    »Prinz Tamino«, sagte der Priester, den er als seinen Geleiter erkannte, »seid Ihr entschlossen, alles zu ertragen, was auch kommen mag?«
    Tamino holte tief Luft, da er wußte, daß nun seine Entschlossenheit auf die Probe gestellt werden sollte. Einen Augenblick lang war ihm alles gleichgültig, aber er hatte sein Wort gegeben, und er würde es halten.
    ∗ ∗ ∗
    »Gewiß«, erwiderte er ruhig.
    »So sei es. Die Prüfungen beginnen. Zunächst wartet Ihr hier bis Sonnenaufgang, oder bis ich komme und Euch an einen anderen Ort bringe. Es ist verboten, an diesem Ort mit einer Frau zu sprechen. Ich warne Euch, Ihr werdet Pamina vielleicht sehen, doch Ihr dürft weder direkt noch indirekt mit ihr sprechen. Es ist Euch auch nicht erlaubt, sie zu berühren.
    Versteht Ihr mich? Was auch geschehen mag: Kein Wort und keine Berührung, sonst…«, seine Stimme wurde lauter und drohender, »habt Ihr sie für immer verloren. Werdet Ihr uns gehorchen?«
    Tamino schluckte. Es kam ihm alles albern vor. Doch wer war er, um über die Priester zu richten? Sie mußten wissen, was sie taten.
    »Gewiß.«
    »Mögen die Götter Euch helfen, standhaft zu bleiben, mein Sohn«, sagte der alte Priester, »gebt mir Eure Hand.«
    Der andere Priester, ein kleiner kahlköpfiger, kurzsichtiger Mann mit einem kleinen struppigen Bart, beugte sich über Papageno. »Und du, mein Sohn?« fragte er. »Wirst du die Prüfungen erdulden, selbst wenn sie dich an den Rand des Todes führen sollten? Wirst du gegen das Böse kämpfen, wo immer es dir begegnet?«
    »Na ja«, erwiderte Papageno und schüttelte seinen Federschopf, »ich bin keine Kämpfernatur, und auch nicht sehr mutig. Vielleicht sollten wir das Ganze lieber vergessen.«
    »Wirst du dich nach besten Kräften um Weisheit und Erleuchtung bemühen?«
    »Ich? Wozu?« wollte Papageno wissen, aber dann schluckte er und sagte: »Entschuldigt… ich meine nein, vielen Dank.«
    »Sag mir«, fragte der Priester, und Tamino hörte überrascht, wie sanft und geduldig die Stimme des Mannes klang, »was wünschst du dir vom Leben, mein Sohn?«
    ∗ ∗ ∗
    Papageno stand auf und ging unruhig hin und her. »Also, ich möchte genug zu essen und zu trinken haben und einen bequemen Platz zum Schlafen. Ich habe nichts dagegen, schwer zu arbeiten, aber sonst wünsche ich mir nichts. Ach, da ist noch etwas. Ich hätte gerne eine Frau, eine Freundin, eine Gefährtin. Ich habe das Alleinsein satt. Und das, guter und ehrwürdiger Vater, ist wirklich alles, was ich mir vom Leben wünsche. Ich habe keine Sehnsucht nach Weisheit, Erleuchtung oder ähnlichen Dingen. Oh, bitte, ich möchte Euch nicht beleidigen. Sicher sind das alles sehr gute Eigenschaften. Aber um die Wahrheit zu sagen, ich glaube, für Leute wie mich sind sie nichts.«
    Der Priester erwiderte: »Sarastro hat bereits eine Frau für

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