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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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dich. Sie sieht dir sehr ähnlich bis hin zu den Farben der Federn. Doch du wirst sie nie zu sehen bekommen, wenn du dich nicht den Prüfungen unterziehst.«
    »Ich habe das Gefühl, dann bleibe ich besser ledig«, antwortete Papageno, sah aber neugierig zu dem Priester auf. »Sie hat auch Federn?«
    »Federn wie du.«
    »Ich würde sie schon gerne sehen«, überlegte Papageno laut,
    »ich kenne niemanden, der so aussieht wie ich. Ist sie jung?«
    »Jung und hübsch.«
    »Und ich darf sie nicht einmal sehen, wenn ich mich den Prüfungen verweigere…« fragte der Vogel-Mann.
    »Bestimmt nicht.«
    »Na ja, in diesem Fall…«, ein Donnerschlag unterbrach Papageno. Er hielt sich die Ohren zu und rief erschrocken: »Ich bleibe besser ledig.« Dann erkundigte er sich: »Wie heißt sie?«
    »Papagena.«
    »Ich würde sie wirklich gerne sehen«, sagte Papageno, und ihm klapperten dabei die Zähne, »einfach so aus reiner Neugier.«
    »Sehen darfst du sie«, erwiderte der Priester freundlich,
    »aber du darfst nicht mit ihr sprechen. Glaubst du, du kannst dich beherrschen und deine Zunge im Zaum halten? Wirst du mit keiner Frau sprechen, die du hier siehst?«
    »Na ja, es wäre nicht das erste Mal, daß mir der Mund verschlossen ist«, sagte Papageno, »versuchen will ich es.«
    »Ausgezeichnet«, sagte der Priester, »gib mir deine Hand.«
    Er drückte ihm fest und freundlich die Hand. »Vergiß nicht, es ist verboten, mit einer Frau zu sprechen, solange du hier bist.«
    »Ich will mir alle Mühe geben.«
    »Mehr verlangen wir nicht«, sagte der Priester und ging davon.
    ∗ ∗ ∗
    Tamino saß auf einer Steinbank und hörte das Klappern der Sandalen der Priester auf dem Steinboden. Leise sagte einer der beiden zum anderen, und Tamino schien das Kopfschütteln beinahe zu sehen, mit dem jener seine Worte begleitete:
    »Sarastro selbst könnte aus ihm einen Eingeweihten machen.«
    »Woher weißt du, daß dies beabsichtigt ist?« fragte der andere, den Tamino als >seinen< Priester betrachtete. »Der Große Drachen war der letzte Halbling unter den Eingeweihten. Doch vielleicht besteht er die Prüfungen so gut, wie man es von ihm verlangt. Wir haben das nicht zu entscheiden.«
    Sie sprechen also von Papageno, dachte Tamino und schämte sich beinahe, weil er sich so erleichtert fühlte. Hatte er wirklich angenommen, die Rede sei von ihm gewesen? Hieß das, sie vertrauten fest darauf, daß er in der Lage war, die Prüfungen zu bestehen? Diese erste Aufgabe schien ihm völlig unsinnig zu sein. Welchen Unterschied machte es, mit einem Mann oder einer Frau zu sprechen?
    ∗ ∗ ∗
    Vermutlich hatten sie ihre Regeln, und er wollte sein Bestes tun, um sie zu befolgen, ganz gleich, ob sie ihm vernünftig schienen oder nicht. Tamino war überzeugt, daß er ihre Absichten nicht besser verstand als Papageno.
    Hier gab es ohnedies keine Frauen, und… es kam Tamino unwahrscheinlich vor, daß irgendeine Frau in diese Gruft gelangen konnte, die von den Priestern bewacht wurde. Unvorstellbar, daß irgend jemand hierherkam, wenn es nicht unbedingt sein mußte! Er hatte keine Lust mehr, sich Toten-schädel und Dinge, die ihn an Tod und Vergänglichkeit erinnerten, anzusehen, die Überreste versunkener Kulturen und vergangener Zeiten… Er legte sich auf eine der Steinbänke und beschloß, eine Weile zu schlafen. Man hatte ihm geboten zu schweigen, doch niemand hatte von ihm verlangt, wach zu bleiben.
    Tamino wußte später nicht, ob er tatsächlich geschlafen hatte. Papagenos Entsetzensschrei und ein grelles Licht, gleich einem Blitz, ließen ihn auffahren. Der Boden schien sich weit zu öffnen, Fackeln flammten auf, und plötzlich standen die drei Damen der Sternenkönigin in der Gruft.
    »Prinz Tamino«, rief Disa, »die Königin zürnt Euch! Der böse Sarastro hat Euch in seinen Bann gezogen, und ihre Rache wird Euch treffen! Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung zu sagen? Ihr hattet unserer Königin geschworen, ihre Tochter zu befreien?«
    Tamino öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen und sich zu rechtfertigen. Doch die Worte des alten Priesters fielen ihm ein, noch ehe die erste Silbe über seine Lippen kam: Vergiß nicht, es ist verboten, mit einer Frau zu sprechen, solange du hier bist…
    Das war also der Grund für die Warnung! Tamino fragte sich, ob die Hofdamen der Sternenkönigin tatsächlich vor ihm standen oder ob die Priester es ihm nur vorgaukelten, um ihn auf die Probe zu stellen. Wieder einmal stellte er zufrieden

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