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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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fest, daß er ihnen offensichtlich auf die Schliche gekommen war, und wandte sich schweigend ab.
    »Wie? Habt Ihr nichts zu Eurer Rechtfertigung zu sagen, Tamino? Was werdet Ihr der Königin antworten, wenn sie ihre Tochter von Euch fordert?« rief Zeshi. »Man hat Euch Zau-berwaffen mit auf den Weg gegeben, und Ihr sitzt hier und hört Euch die Reden eines Scharlatans an!«
    Tamino schwieg beharrlich. Sie wandten sich Papageno zu. »Papageno, was wird die Königin sagen, wenn sie erfährt, daß du Pamina hättest retten können? Die Prinzessin befand sich in deiner Hand, und du hast sie Sarastros Sklaven ausgeliefert!«
    »Mir blieb eigentlich keine andere Wahl, Herrin Disa…«, begann Papageno.
    »Sei still, Papageno! Denk an deinen Schwur!«
    »Wenn du auf ihn hörst, bist du verloren, Papageno! Doch du bist der treue Diener der Sternenkönigin. Sie hat uns hierher geschickt, um
    dich zurückzubringen.« Tamino erinnerte sich, daß Papageno sie Kamala genannt hatte.
    »Ich wollte niemals hierher kommen, versteht Ihr!« sagte Papageno, »aber Ihr habt mich gezwungen, den Prinzen zu begleiten. Und ich glaube, ich bleibe jetzt auch hier.«
    »Papageno…«, mahnte Tamino und näherte sich ihm. Vielleicht konnte er dem kleinen Halbling helfen, sich wieder an sein Versprechen zu erinnern. »Sei still, mein Freund.«
    Zeshi fragte: »Warum willst du hierbleiben, Papageno? Was kann Sarastro dir schon geben?«
    Papageno erwiderte: »Sarastro hat mir eine Frau versprochen.«
    »Oh, wenn du eine Frau willst«, sagte Zeshi, und ihre Stimme klang weich und verführerisch. Sie trat zu Papageno und legte ihm die Arme um den Nacken. Ihre schlanken, langen Finger liebkosten ihn. Sie glätteten die Federn auf seinem Kopf. Sie drückte sein Gesicht an ihre Wangen. Papageno blieb regungslos stehen, und Tamino mußte an einen Vogel denken, der im Bann einer Schlange stand – er hatte das einmal gesehen.
    Zeshi preßte ihren schlanken, anmutigen Körper an Papageno, und der Vogel-Halbling kam ihrer Bewegung entgegen und schien sich ihr zu überlassen. Zeshi lä-
    chelte und gab leise betörende Laute von sich.
    Papageno stieß sie energisch mit beiden Händen von sich und sagte: »So habt Ihr mich im Palast der Sternenkönigin nie behandelt! Vermutlich ist das eine List, Herrin.« Er entfernte sich schnell von ihr, und Zeshi zischte vor Zorn. Kamala drohte ihm mit erhobenem Speer, aber Papageno ließ sich nicht einschüchtern und schrie beinahe:
    »Ich merke, hier könnt Ihr mir nichts tun! Wenn es möglich wäre, Herrin Kamala, hättet Ihr es bereits getan!«
    Mit einem ohrenbetäubendem Donnerschlag erloschen die Fackeln, und der Platz, an dem die drei Hofdamen gestanden hatten, war leer.
    Papageno fiel stöhnend und jammernd zu Boden.
    »Oh weh, oh weh!«
    Tamino überlegte: Der kleine Halbling hatte sein Versprechen nicht gehalten, sondern sie mit Worten vertrieben. Immerhin war ihm das gelungen. Bestand etwa ein Unterschied zwischen seinen und Papagenos Prüfungen?
    »Papageno, was machst du?«
    Aus der Dunkelheit des Gewölbes drang eine klägliche, zitternde, aber entschlossene Stimme zu ihm.
    »Ich falle in Ohnmacht…!«
     
    Elftes Kapitel
    Pamina lag auf dem Bett und blickte durch das Fenster in die stille Nacht zum Sternenhimmel hinaus. Dies war das Reich der Sternenkönigin, und nie hatte sie an ihrer Mutter gezweifelt. Die Gewißheit, daß Sarastro ihr Vater war, erfüllte sie zuerst mit Unglauben, dann mit Furcht und schließlich mit Verwirrung.
    Er war kein Ungeheuer, wie man ihr beigebracht hatte. Er war auch kein Bösewicht. Im Palast der Sternenkönigin dachte sie nie an einen Vater. Er fehlte ihr auch nicht. Aber jetzt, nachdem sie Sarastro gesehen und mit ihm gesprochen hatte, wußte Pamina, sie hätte sich ganz bestimmt für Sarastro entschieden, wenn sie einen Vater haben mußte. Doch eine Frage quälte sie: Weshalb die Lügen ihrer Mutter über Sarastro? Weshalb sollte sie, ihre Tochter, ihn für einen bösen Zauberer halten?
    Vielleicht liebt sie mich einfach zu sehr, dachte Pamina, sie wollte mich vermutlich mit niemandem teilen, noch nicht einmal mit meinem Vater. War dies wirklich der einzige Grund?
    Jetzt befand sie sich in Sarastros Palast und wollte sich den Prüfungen unterziehen – Pamina wußte nicht warum, doch Sarastro hatte ihr erklärt, es sei eine notwendige Vorberei-tung auf alles, was sie nach seinem Willen erwartete: das Erlangen von Weisheit – die Ehe mit Tamino. Pamina dachte an den

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