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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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seinen Sohn höher ein. Nun, es läßt sich nicht ändern.«
    Sarastro seufzte wieder, betrachtete das seidene Gewand, das Pamina auf die Bitte ihrer Mutter trug, und warf einen Blick auf die zerrissene Tunika am Boden.
    »Deine Dienerinnen sind bis zum Ende der Prüfungen weg-geschickt worden. Ich werde dafür sorgen, daß eine Priesterin sich deiner annimmt und dir ein neues angemessenes Gewand bringt. Ich will dir auch verraten, daß Papagena zu den Prüfungen zugelassen ist. Sie hat dir treu gedient.«
    Pamina lächelte unsicher und sagte: »Papagena… ist ein Vogel-Halbling und nicht sehr… nicht sehr intelligent. Was geschieht, wenn sie die Prüfung nicht besteht, Vater? Man wird ihr doch nichts tun? Sie ist so ängstlich…«
    »Mach dir keine Sorgen um Papagena, meine Tochter. Ein Halbling hat andere Prüfungen zu bestehen als du. Von ihr wird verlangt, daß sie sich den Umständen entsprechend richtig verhält… nicht mehr. Du bist eine Prinzessin. Dir wurde mehr gegeben, und deshalb wird auch mehr von dir verlangt. Ich werde dir jetzt eine Priesterin schicken, die dich ankleidet. Fürchte dich nicht, mein Kind…« Sarastro schwieg, lächelte sie an und legte ihr ermutigend die Hand auf die Schulter.
    »Nein, ich werde nicht sagen, du sollst dich nicht fürchten, denn im Verlauf der Prüfungen wirst du vielleicht große Furcht erfahren. Aber soviel will ich dir sagen, meine Tochter: Stelle dich deinen Ängsten mutig. Du hast den Anfang gemeistert, bleibe weiterhin tapfer. Höre auf die Stimme deines Herzens, und du wirst mit Sicherheit jede Prüfung bestehen, die dich erwartet.«
     
    Zwölftes Kapitel
    Papageno lag noch immer auf dem Boden und überließ sich der wohltätigen Ohnmacht. Tamino gähnte. Durch die hohen Fenster sah er den Morgen heraufdämmern.
    Es war eine lange Nacht gewesen. Nach dem Eindringen der drei Hofdamen der Sternenkönigin hatte er nicht mehr schlafen können und hatte viel Zeit gehabt, um nachzudenken, an sich und seinen Ansichten zu zweifeln, an seiner Fähigkeit, die geheimnisvollen Prüfungen zu bestehen und hatte sich gefragt, ob Pamina wirklich etwas für einen Mann empfinden konnte, den sie nur ein paar Augenblicke zu Gesicht bekommen hatte. In dieser langen Nacht hatte es Stunden gegeben, in denen er wünschte, den Hof seines Vaters nie verlassen zu haben.
    Zum ersten Mal hatte er Muße zu zweifeln. Die Reise war anstrengend gewesen, aber auch lohnend. Doch seit seinem Kampf mit dem Drachen im Land der Wandlungen hatten sich die Ereignisse überstürzt, und ihm war keine Zeit geblieben, darüber nachzudenken.
    Als die Sonne hinter den hohen schmalen Fenstern auftauchte – sie befanden sich hoch oben über ihm, und er konnte nichts von der Umgebung draußen sehen –, fühlte Tamino sich sehr niedergeschlagen. Er sehnte sich nach der Zauberflöte, vermißte ihren Trost; er hätte musizieren können, anstatt hier sitzen und sich über sein Schicksal sorgen zu müssen.
    Aber würden die Priester sie ihm wirklich zurückgeben?
    Schließlich stammte sie aus dem Reich der Sternenkönigin, und wie wenig er auch über Sarastros Reich wußte, so war ihm doch klar, daß die Sternenkönigin hier nicht in hohem Ansehen stand. Und man hatte ihm gesagt, er habe sie von jemandem erhalten, der nicht berechtigt sei, sie ihm zu geben – vermutlich meinten die Priester die Boten, aber vielleicht war es auch ein Vorwurf gegen die Sternenkönigin –, und deshalb würde man sie ihm wahrscheinlich auch nicht wieder bringen… Wodurch hatte er eigentlich eine so mächtige Zauberwaffe verdient?
    Es wurde heller, und Tamino sah, daß Papageno auf dem Steinboden schlief. Die Sonne stieg höher, und als ihre Strahlen die Augen des Halblings trafen, begann jener sich zu regen.
    »Prinz Tamino?«
    »Ich bin hier, Freund Papageno.«
    Der Halbling richtete sich auf und rieb sich den Rücken.
    »Hier hält man nicht gerade viel von bequemen Betten für die Gäste. Sagt mir, waren die drei… waren sie wirklich hier, oder habe ich schlecht geträumt?«
    Tamino hatten ähnliche Gedanken bewegt.
    »Ich bin nicht sicher, Papageno. Aber wenn du schlecht ge-träumt hast, habe ich es auch.«
    »Ich möchte wissen, wann es Frühstück gibt.« Der Halbling schüttelte seinen Federschopf. »Es ist wirklich kaum zu glauben. Wenn ich die Sonne sehe, sage ich mir, daß ich eigentlich draußen im Wald sein sollte, um meine Fallen für die Vögel zu stellen. Aber dann sehe ich mich um und finde mich an diesem Ort.

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