Tochter der Nacht
deine Papagena, verstehst du?«
Papageno schluckte schwer. »Was für ein Streich ist das nun wieder?« murmelte er, blinzelte und blickte der Alten offen ins Gesicht.
»Nun ja, ich habe mir eine Freundin und Gefährtin ge-wünscht. Ich habe nicht gesagt, daß sie jung oder hübsch sein soll. Sarastro erzählte mir… na ja, ich vertraue ihm.
Wenn er sagt, du bist die Frau, die er mir versprochen hat, wird er wohl wissen, was er tut. Ich freue mich, dich kennen-zulernen, Mut… ähmm… Papagena«, sagte Papageno tapfer und streckte ihr die Hand entgegen.
»Du bist ein lieber Mann, ganz wie sie mir versprochen haben«, erwiderte die Alte mit der Stimme eines jungen Mädchens. Die Gestalt unter dem schwarzen Mantel schimmerte einen Augenblick auf, die Alte war verschwunden, und ein junges, anmutiges Mädchen stand an ihrer Stelle.
Es sah genauso aus wie Papageno, hatte auch einen rotgel-ben Federschopf, war aber jünger. Tamino hielt sie nicht für hübsch: Ihre Nase war schnabelähnlich gebogen, ihre Augen glitzerten und blickten durchdringend. Aber Papageno stand wie verzaubert vor ihr.
»Papagena!« rief er, und augenblicklich versank der Raum in Dunkelheit, und sein Ruf verwandelte sich in eine verzweifelte Klage.
Dreizehntes Kapitel
Tamino blickte zum Himmel hinauf und dachte, es müsse spät am Morgen oder bereits Mittag sein, denn inzwischen verspürte er ebenfalls Hunger. Doch auf seiner langen Reise hatte er sich angewöhnt zu fasten, und so stellte er sich darauf ein, den Hunger so lange zu übergehen, wie die Priester von ihm verlangen würden. Papageno saß völlig verzweifelt auf dem Boden und schwieg zum ersten Mal, seit Tamino ihn kannte, freiwillig. Er rührte die magischen Glöckchen nicht an und hatte sich noch nicht einmal dazu aufgerafft, den zweiten Stiefel anzuziehen. Tamino begann, sich Sorgen um den Vogel-Mann zu machen.
Endlich ging die Tür auf. »Wie steht es mit Euch, Prinz Tamino? Seid Ihr immer noch entschlossen, auszuharren?«
fragte der eine Priester. »Bis jetzt habe ich nichts erlebt, was mich umstimmen könnte«, erwiderte Tamino ruhig.
»Und du, Freund Papageno?« fragte der andere Priester.
»Was hast du in dieser langen Nacht erlebt?«
Papageno hob nicht einmal den Kopf, als er antwortete: »Ich bin sicher, Ihr wißt ebensogut wie ich, was geschehen ist. Ich vermute, ich habe eure Prüfungen nicht bestanden. Ich bin eben doch nur ein geschwätziger Dummkopf. Ich habe mir alle Mühe gegeben, aber das reicht eben nicht.« Er blickte auf und sah dem Priester in die Augen.
»Es ist Eure Schuld, wißt Ihr«, fuhr er fort, »Ihr erwartet etwas von mir, für das ich einfach nicht geschaffen bin. Ich habe Vögel für die Sternenkönigin gefangen und gezähmt.
∗ ∗ ∗
Und einigen habe ich das Sprechen beigebracht. Das konnte ich ganz gut. Doch nachdem die Vögel erst einmal sprechen konnten, gelang es mir nicht mehr, sie zum Schweigen zu bringen, oder sie zu lehren, zur richtigen Zeit die richtigen Dinge zu sagen, oder zu schweigen, wenn es angebracht war zu schweigen. Wahrscheinlich bin ich auch so ein Vogel.
Nachdem ich es nun einmal kann, kann ich nicht mehr damit aufhören. Ich habe mir diese Prüfungen nicht ausgesucht und Euch gleich gesagt – wie Ihr Euch erinnern werdet –, daß ich mir wenig Hoffnung mache, sie zu bestehen.«
»Das stimmt, mein Sohn«, erwiderte der Priester freundlich,
»ich kann mich nicht über dich beklagen. Wenn du dich also den Prüfungen nicht gewachsen fühlst, dann sage mir, was erwartest du vom Leben?«
»Im Augenblick? Im Augenblick möchte ich frühstücken.
Bis jetzt habe ich nur ein Glas Wein getrunken, und er muß mir wohl zu Kopf gestiegen sein, denn sonst würde ich vermutlich nicht so mit Euch reden, Ehrwürdiger Vater. Wenn ich Euch beleidigt habe…«
Der Priester legte ihm die Hand auf die Schulter. »Du kannst mich nicht beleidigen, mein kleiner Bruder, wenn ich dich auf-fordere, die Wahrheit zu sagen und du mir aufrichtig antwor-test. Du sollst dein Frühstück gleich bekommen.« Er winkte, und im nächsten Augenblick erschien ein junger Priester mit einem Tablett voll leckerer Dinge, die einen köstlichen Geruch verbreiteten: warme Honigkuchen und knusprige, mit Nüssen bestreute Hörnchen. Er stellte es vor Papageno ab.
»Stille deinen Hunger, mein kleiner Bruder. Aber verrate mir doch, hast du nicht noch einen anderen Wunsch?«
»Im Augenblick nicht«, erwiderte Papageno, »aber ich kenne mich gut
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