Tochter der Träume / Roman
Überzeugung, mit der er das sagte, machte mir Mut. Im Stillen schwor ich mir, seine Worte nie zu vergessen. »Ja, das werde ich.«
Da stieß plötzlich eine Frau gegen unseren Tisch, in der Hand ein vollbeladenes Tablett mit Kaffee und Gebäck. Prompt schwappte eine Pfütze Tee aus meinem Becher auf den Tisch.
Ich wurde wütend.
Ich packte die Frau am Handgelenk, starrte ihr in die braunen Augen, die mich entschuldigend anblickten, und zischte: »Spinnen.«
Prompt fiel ihr das Tablett aus der Hand, und Kaffee, Tee und Kuchen verteilten sich quer über den Boden. Sie kreischte und begann, mit den Füßen aufzustampfen, als trete sie Insekten tot.
Insekten, die nicht da waren.
Sie schlug sich auf die Arme, zerrte an ihren Kleidern und kratzte sich die Haut auf. Ihr Gesicht war zur schönsten Fratze aus reinem Horror verzerrt, die ich je gesehen hatte. Ich lächelte.
»Mädchen, was tust du da?«
Ich wandte mich Antwoine zu. »Was?«
Seine dunklen Augen verengten sich, als er mich ansah. Er nahm einen Löffel und hielt ihn mir mit der gewölbten Seite vors Gesicht. »Sieh dich an.«
Meine Augen waren wieder blass geworden und hatten diese schwarzen Ränder. Sie glänzten schaurig in meinem fröhlichen Gesicht. Es hatte mich erheitert, dass ich die Frau dazu gebracht hatte, sich Spinnen einzubilden. Was, zum Teufel, war mit mir los? Wieso freute ich mich darüber?
Ich schob Antwoines Hand beiseite und spürte die Angst wie Säure in meinem Magen. »Was ist los mit mir?«
Er war nicht gerade begeistert. »Zuallererst beruhigst du diese arme Frau.«
Ich warf ihr einen kurzen Blick zu. Sie schluchzte hemmungslos, so dass sich alle Köpfe nach ihr umdrehten. »Wie denn?«
»Auf die gleiche Weise, wie du ihr das angetan hast.«
Das konnte ich nicht, ohne die Blicke aller auf mich zu ziehen. Also stand ich lieber gleich auf. »Ich bin Psychologin«, erklärte ich einem besorgten Außenstehenden. »Vielleicht kann ich ihr helfen.«
Ich ging auf die Frau zu, deren Arme mit roten Kratzern übersät waren. Tränen liefen ihr über die Wangen, während sie schluchzte und bettelte, dass die Spinnen endlich weggehen sollten. Mein Gott, was hatte ich nur angerichtet?
Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter und fasste sie mit der anderen am Kinn, damit sie mich ansah. »Sie sind fort«, versicherte ich ihr. »Die Spinnen sind alle fort. Es war nur ein böser Traum.«
Es funktionierte. Sie kämpfte noch einige Sekunden mit sich, dann wurde sie ruhig. Sie blinzelte mich an. »Was ist passiert?«
»Sie dachten, Spinnen würden über Ihren Körper krabbeln.«
Verwirrt blickte sie auf das Chaos auf dem Fußboden. »Ja, ich dachte wirklich, ich hätte lauter Spinnen auf mir.« Sie lachte verlegen. »Wie dumm von mir.«
Dann half ich ihr, ihre Bestellung erneut aufzugeben, und überredete sie, das Geld dafür anzunehmen. Das war das mindeste, was ich tun konnte. Sie fand es einfach nur nett von mir.
Schließlich setzte ich mich wieder zu Antwoine, der mich noch immer betrachtete, als sei ich das dämonische Kind aus dem Film
Das Omen
.
»Irgendetwas muss mit dir passiert sein. Was?«, fragte er. »Hat Karatos versucht, dir das Gleiche anzutun wie deinem Freund?«
Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich. »Woher weißt du das?«
Er schüttelte den Kopf und sah mich an, als wäre ich bescheuert. »Wir müssen das Ding zur Strecke bringen. Heute Nacht. Und du – du kriegst dich besser wieder unter Kontrolle.«
»Was hat er mir angetan?«, fragte ich und fühlte mich fast so hysterisch wie die Frau mit den Spinnen.
»Er hat etwas von seinem Wesen in dir zurückgelassen, etwas, das die dunkle Seite in dir anspricht. Kräfte, wie du sie hast, sind in dieser Welt eine gefährliche Sache. Man kann sie nicht einfach unterdrücken, wie dies in der Traumwelt möglich ist.«
Meine dunkle Seite. Toll. Das war also die Erklärung für meine spontanen Ausraster der letzten Zeit. Es hatte mir wirklich gefallen, die arme Frau in Panik zu versetzen. Ich presste die Lippen aufeinander. Das musste aufhören. Sofort. Antwoine hatte recht. Heute Nacht würde ich Karatos den Garaus machen. Er mochte mir einen Teil meiner Energie genommen haben, aber wie Antwoine bereits sagte – ich hatte ebenfalls etwas von ihm genommen. Jetzt konnte ich ihn finden.
Ich konnte ihn bezwingen. Heute Nacht würde ich wieder ich werden. Heute Nacht würde ich Noahs Leben retten und den Traumdämon zerstören. Damit machte ich mich zwar
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