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Tochter der Träume / Roman

Tochter der Träume / Roman

Titel: Tochter der Träume / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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Träume. Normale Menschen
konnten
das gar nicht. Und wenn sie es könnten, dann läge ihnen bestimmt nicht daran, jungen Mädchen das Fürchten zu lehren.
    Aus mir war eines jener Monster geworden, vor denen mich mein Vater immer gewarnt hatte.
    Seither trieb ich keine Spiele mehr mit den Träumen und erschuf mir meine eigene kleine Welt, in die ich mich zurückziehen konnte und in die ich weder meine Mutter noch meinen Dad, meinen Vater Morpheus oder sonst wen einließ. Ich setzte alles daran, normal zu werden – und wenn es mich umbrachte.
    Zu sagen, dass meine Mutter enttäuscht war, wäre untertrieben.
    Schließlich schloss ich die Highschool ohne weitere
Freddy-Krüger
-reife Auftritte in anderer Leute Träumen ab und ging danach auf die Universität von Toronto, wo ich Neuropsychologie studierte und meinen Doktor machte. Meine Leistungen waren zwar überdurchschnittlich, doch es waren meine Studien über Traumforschung, die die Aufmerksamkeit von Dr.Phillip Canning erregten, ein Kollege meines Mentors. Dr.Canning war Schlafforscher und eine Koryphäe seines Fachs. Ich hatte alle seine wissenschaftlichen Publikationen und Bücher über Behandlungsformen der Parasomnie und posttraumatischer Alpträume gelesen und kannte seine Theorien. Offensichtlich konnte man ein Wesen wie mich aus der Traumwelt holen, aber die Traumwelt nicht aus mir. Ich brauchte keine Lehrbücher, um zu wissen, dass es einen Teil in mir gab, der auf diesem Gebiet arbeiten
musste
.
    Es war mir ein Bedürfnis, den Menschen zu gutem Schlaf zu verhelfen und sie vor den Gefahren einer Welt zu schützen, die sie für harmlos hielten, weil sich alles »bloß im Kopf« abspielte. Absurderweise bedeutete das zugleich, diese Welt mit aller Macht zu leugnen.
    Kurzum, als echte Doktorin der Psychologie gehöre ich heute zum festen Mitarbeiterstab in Dr.Cannings Team am MacCallum Schlaf- und Traumforschungsinstitut in New York City (wenn auch in einer niedrigen Position). Meine zwei Jahre Probezeit und meine visumgebundene Arbeitserlaubnis liefen demnächst ab, und so könnte ich schon bald eine eigene Praxis führen. Als kleine Angestellte machte ich ein bisschen von allem in der klinischen Praxis und Forschung, vorwiegend arbeitete ich jedoch im Bereich der Traumanalyse und -therapie mit Schwerpunkt Alpträume.
    Alles Leugnen meiner Natur half nichts – so viel dazu.
    Als ich am Morgen in die Klinik kam, begrüßte mich Bonnie, unsere Empfangsdame, mit einem vielsagenden: »Er ist hiieerr!«
    Sie klang dabei original wie das kleine Mädchen in den
Poltergeist
-Filmen. Ich musste nicht nachfragen, wen sie mit »er« meinte, schon gar nicht, wenn sie so aufgeregt mit den sorgfältig gezupften Augenbrauen wackelte. Bonnie war Mitte vierzig, durchtrainiert, stets wie aus dem Ei gepellt und ging nie ohne Lippenstift aus dem Haus. Sie hatte einen typischen Brooklyner Akzent – und ich vergötterte sie.
    Ich hängte meine Jacke auf und nahm meinen Arztkittel aus dem Schrank, während ich ihr einen kurzen und, wie ich hoffte, vorwurfsvollen Blick zuwarf. »Du solltest nicht in diesem Ton über einen Patienten sprechen.«
    »Ach, als wärst du kein bisschen aufgeregt, ihn zu sehen«, erwiderte sie, nicht im mindesten verlegen. »Er liegt noch im Schlaflabor, falls du einen Blick hineinwerfen willst.« Bonnie pflegte einen saloppen Umgang mit mir, entweder, weil ich noch jung war, weil sie mich mochte oder weil mein Arztkittel babyrosa war und Glitzerknöpfe hatte.
    Der Kittel war ein Geschenk einer liebenswerten, ältlichen Patientin namens Irene, die glaubte, jede Frau müsse sich in Rosa und Glitzer hüllen. Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte, musste jedoch zugeben, dass ich mich darin sehr selbstbewusst und weiblich fühlte.
    »Wenn du ›ihn‹ so toll findest, Bonnie, dann verabrede dich doch mit ihm.«
    »Ach, lieber nicht.« Sie wedelte mit einer perfekt manikürten Hand, deren lange Fingernägel blutrot aufblitzten, als sich das Licht darin spiegelte. »Der Arme, ich würde ihn ja erdrücken.«
    Ich schmunzelte. Das wäre sehr gut möglich. Nun hatte Bonnie zwar keine ausladenden Maße, aber sie war durchaus eine sinnliche Frau und, wie es schien, auch mit der nötigen Kondition ausgestattet, ihre Gelüste zu befriedigen. Mit seinen dreißig Jahren war Noah Clarke ihr offensichtlich zu alt und zu gebrechlich, um eine Verabredung mit ihm in Erwägung zu ziehen.
    Ich zog eine Haarklammer aus meiner Kitteltasche und steckte mein

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