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Tochter der Träume / Roman

Tochter der Träume / Roman

Titel: Tochter der Träume / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Smith
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drehte den Türknauf. Lächerlich, Noah Clarke war nicht einmal mein Typ.
    Er saß auf der Kante des zerwühlten Betts, die nackten Unterarme auf die dünn bekleideten Oberschenkel gestützt. Stiefel, verblichene Jeans und ein schwarzes T-Shirt lagen vor und über dem Stuhl bei der Wand, zusammen mit seiner Motorradjacke und dem Helm.
    Offenbar war er gerade aufgewacht, und ich hatte alle Mühe, mich einigermaßen zusammenzureißen.
    Er stand auf, als ich eintrat, und schloss die Tür hinter mir. Der Raum schien plötzlich sehr viel kleiner zu werden. Und wärmer.
    »Hey, Doc.«
    Ich lächelte, als er mich so begrüßte, und spürte, wie ich beim tiefen, rauhen Klang seiner Stimme ein ganz klein wenig schauderte. »Hey, Noah.«
    Meine Großmutter hätte gesagt, dass Noah Ausstrahlung hatte – und dafür hätte sie ihn nicht einmal halbnackt in einer Batman-Pyjamahose sehen müssen.
    Mit etwas über eins achtzig war er nur knapp größer als ich, so dass ich den Blick nur ein wenig heben musste, um ihm in die Augen zu sehen. Er war schlank und breitschultrig – wie ein Schwimmer. Aus seiner Akte wusste ich, dass er Künstler war und Kampfsport betrieb. Er hatte erst einen Monat nach unserer ersten Sitzung angefangen, über sich selbst zu sprechen, und das nur sehr verhalten. Dabei war er nicht abweisend, er redete einfach nicht besonders viel.
    Ich mochte Noah, und das lag nicht allein an seinem Einfluss auf die Traumwelt. Ich würde ihn auch sonst mögen, und das schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Ich glaube, es gefiel ihm, dass ich mit den Dingen, die sich in seinem Kopf abspielten, etwas anfangen konnte und ihn nicht für einen Spinner hielt.
    Ich frage mich manchmal, was er wohl denken würde, wenn er wüsste, was für eine Spinnerin ich selbst war. Was würde er denken, wenn er wüsste, dass ein guter Teil dessen, was er als unterbewusstes Verarbeiten begriff, real war? Wahrscheinlich würde er es akzeptieren. Kreative Menschen sind für solche Dinge ein wenig offener als andere.
    Als Künstler war es ihm aber schlichtweg egal, ob andere ihn für einen Spinner hielten, und aus seinem Erscheinungsbild schien er sich ebenfalls wenig zu machen. Ich würde ihn deswegen nicht als seltsam bezeichnen, wirklich nicht. Doch manchmal sahen seine Klamotten aus, als kämen sie direkt aus einem Kleidersack, und sein dichtes, schwarzes Haar stand ihm in allen Richtungen vom Kopf ab, als wäre er gerade erst aufgestanden. Andere gingen für diesen Look zum Friseur, bei Noah war schlicht sein Kopfkissen verantwortlich. Er scherte sich nicht darum, was die Leute bei seinem Anblick von ihm dachten. Er war einfach er selbst. Und dafür bewunderte ich ihn.
    Heute hatte er noch ein paar Bartstoppeln an Kinn und Wangen. Noah hatte an sich wenig Körperbehaarung, wodurch seine feine Muskulatur unter der bronzefarbenen Haut sehr gut zur Geltung kam. Seine Augen waren schwarz, so schwarz wie seine Haare – fast zumindest. Der Ton seiner Haut ließ vermuten, dass in seinen Adern vorwiegend europäisches Blut floss, wohingegen die dunklen Haare und Augen sowie die fein geschwungene Nase fremdländisch wirkten.
    Noah war exotisch, und wenn er mich wieder einmal mit diesem schiefen Grinsen begrüßte, das so typisch für ihn war, fragte ich mich, ob je mehr zwischen uns sein könnte als die übliche Therapeutin-Patient-Beziehung. Natürlich war es nicht angebracht, so zu denken, doch wie konnte ich anders, wenn dieser Mann mit nichts außer einer Batman-Pyjamahose vor mir stand und jeder Zentimeter von ihm eine unwiderstehliche Einladung war?
    Er war einfach sexy, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte.
    »Verzeihung, dass ich so hereinplatze«, sagte ich. »Ich wollte nur fragen, ob Sie auf einen Sprung in mein Büro kommen könnten?« Das war Teil unserer Abmachung. Noah nahm an einer Schlafstudie der Klinik teil, und wir trafen uns nach jeder Sitzung, um seine Träume zu besprechen. Für die Nächte, die er nicht in der Klinik verbrachte, gab ich ihm Aufgaben und Übungen mit, die wir dann ebenfalls besprachen.
    War das ein Zögern? Er schien kurz zu erstarren, bevor er nickte. »Klar.«
    Aber er klang nicht überzeugt. Seltsam. Noah sperrte sich sonst nie, wenn es darum ging, sich mit seinen Träumen auseinanderzusetzen, was es auch für welche waren. »Stimmt etwas nicht?« Was ich eigentlich fragen wollte, war,
ist irgendetwas passiert
? Vielleicht sah ich nun wirklich Gespenster, aber so hatte ich ihn noch nie

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