Tochter des Drachen
eine Bedrohung antizipiert und für die Rückkehr aus dem Solsystem, wo er am Staatsbegräbnis
Victor Steiner-Davions teilgenommen hatte, eine Kommandostrecke organisiert. Dadurch war er schon jetzt zurück, statt wie erwartet erst im September. Kann das ein Zufall sein, dass er zurückeilt, gerade als Sakamoto seine Offensive startet?
»Bei allem gebotenen Respekt, Tono«, begann Bhatia vorsichtig, »Ihr habt den Tai-shu nur gebeten zu warten, bis die Zeit gekommen ist. Das ist kein offener Ungehorsam. Sicherlich gibt es viele Beispiele in der Vergangenheit. Frühere Koordinatoren haben unabhängiges Handeln gestattet, ja sogar ermutigt, indem sie bewusst vage geblieben sind. Solange sich Sakamoto nicht gegen Euch erklärt, bleibt er Euer Handlanger.«
»Mag sein, aber er hat sich auch nicht für uns erklärt.«
»Aber schaut nur, was Sakamoto erreicht hat. Er hat viele der verlorenen Edelsteine des Kombinats einen nach dem anderen zurückerobert.«
»Und du bist der Ansicht, dafür hat er eine Belohnung verdient?«
Bhatia neigte den Kopf. »Der Dienst am Drachen sollte Lohn genug sein.«
»Nun ja«, kommentierte Kurita trocken. »Irgendwie haben wir nicht den Eindruck, dass es dem guten Tai-shu dabei wirklich um unsere Wertschätzung geht. Wohin genau, glaubst du, könnte der geschätzte Sakamoto wohl unterwegs sein?«
»Unterwegs?«, wiederholte Bhatia verwirrt. »Aber es ist doch offensichtlich, dass Dieron ...«
»Nein, nein, fass nicht alles so wörtlich auf. Wir haben gefragt, auf welche Stellung es Sakamoto abgesehen haben könnte, die er noch nicht erreicht hat? Würdest du nicht zustimmen, dass es nur eine mögliche Antwort darauf gibt?«
Bhatias Nackenhaare stellten sich auf, aber er hielt seine Miene neutral. »Ich kann nicht für den Kriegsherren sprechen und werde es auch nicht, Tono.«
Die Lippen des Pfaus zuckten in der Andeutung eines Lächelns. »Nein?« Dann beantwortete er seine eigene Frage. »Nein. Schließlich hast du dich nicht mit Sakamoto verbündet, um mich abzusetzen. Trotzdem hast du all diese Informationen angehäuft und mit keiner Silbe auf das hingewiesen, was so offensichtlich ist: dass es nicht mal ein Blinder mit Krückstock übersehen könnte. Sakamoto hat ganz offensichtlich in Erwartung einer derartigen Gelegenheit eine Menge Material zu seiner persönlichen Verwendung gehortet. Er hat uns weder über seine Aktionen informiert, noch hat er um unseren Segen gebeten. Er handelt einfach. Also fragen wir dich, Direktor« - Vincent Kurita fixierte ihn durch halb geschlossene Lider -, »wann genau erwartest du, dass Sakamoto es tun wird?«
Gut gespielt. Der Pfau hatte immer noch das ein oder andere As im Ärmel. »Vielleicht will Tai-shu Sakamoto warten, bis Dieron gefallen ist.«
»Das beantwortet unsere Frage aber nicht.« Als Bhatia zum Widerspruch ansetzte, hob Kurita die mit funkelnden Ringen bestückte Hand. »Das haben wir gesagt: Wir haben Sakamoto angewiesen, nichts zu unternehmen, bis die Zeit gekommen ist. Nun, würdest du nicht meinen, dass es jetzt so weit ist?«
Bhatia zögerte. Was genau bezweckte der Pfau mit dieser Frage? Er entschied sich, vage zu bleiben. »Es ist exakt die Zeit, die mein Koordinator wünscht.«
Kurita starrte ihn einen Augenblick lang an, dann lachte er. »Wir hatten vergessen, wie wendig du bist. Na schön, Direktor. Wir danken für deinen Bericht.«
Damit war er offensichtlich entlassen. Bhatia setzte zu einer Antwort an, aber dann verneigte er sich doch nur wortlos und ging. Als er fort war, setzte sich Vincent an sein Terminal, drückte einen Knopf und diktierte eine Nachricht. Nachdem er fertig war, verschlüsselte er die Botschaft, kopierte sie auf einen Datenkristall und warf den Kristall in seine Handfläche aus. Mit dem Daumen betätigte er einen Rufknopf, und als ein Adjutant erschien, sagte er: »Wir haben einen Auftrag für dich.« Er reichte dem Mann den Kristall. »Arlington. Unverzüglich.«
Hauptquartier der Oberkommandierenden der Streitkräfte,
New Alamo, Terra
Präfektur X, Republik der Sphäre
15. Juli 3135
»Das nennen Sie einen Nachrichtendienst?« Oberkommandierende General Tina Magnusson-Talbot war eine kräftig gebaute Frau mit rauchiger Stimme, aschblonden Haaren und breiter Taille, eine
Folge von Jahren der Beschäftigung mit Papierkrieg und dem üblichen bürokratischen Mist. Sie stieß einen breiten, nikotinfleckigen Zeigefinger in die Richtung ihres Nachrichtendienstchefs, eines Kummer gewöhnten
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