Tochter des Drachen
Sakamoto mit vollem Mund. »Dafür haben wir jetzt keine Zeit, Worridge. Selbst wenn ich die Sprungschiffe übrig hätte, die Republik könnte ihre Kräfte bündeln und zu einem effektiven Widerstand in Marsch setzen, bis die Nachricht Lu-thien erreicht und der Koordinator sich die Zeit genommen hätte, sich damit zu beschäftigen. Ich denke nicht daran, mich aufhalten zu lassen, indem ich darauf warte, dass irgendwann eine Antwort eintrifft.«
»Nichtsdestotrotz ist es unsere Pflicht...«
»Unsere Pflicht«, unterbrach Sakamoto mit plötzlichem Nachdruck, »ist es vielmehr, den Ruhm des Kombinats wiederherzustellen. Darauf haben wir einen Eid geschworen, Tai-sho. Was ist los, Gewissenbisse?«
Worridges Wangen brannten. »Falls Sie damit meinen, ob mich das Ausmaß der Zerstörungen und der Verlust an Menschenleben entsetzen, die wir zu Ihrem Ruhm auf uns geladen haben ... Ja. Es stimmt, ich bin nicht in einer Ära des Krieges und Blutvergießens aufgewachsen, und soweit es einen Sinn hat, das zu sagen, war ich bis vor Kurzem wohl ein wenig naiv. Es ist eines, sich Geschichtsdokumentationen im Holovid anzuschauen, doch etwas ganz anderes,
Geschichte zu schreiben. Das tun wir hier. Aber wie wird die Geschichte über uns urteilen?«
»Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben, Worridge. Und das sind wir.«
Noch. Sie setzte zu einer Entgegnung an, in diesem Augenblick jedoch öffnete sich die Luke, und zwei Corporals kamen herein, um den Tisch abzuräumen und ein Desserttablett vor den Kriegsherren abzustellen. Sie schaute zu, wie Sakamoto ein grünrotes Konfekt aus süßer Bohnenpaste in Form einer Lotusblüte auswählte und in den Mund steckte.
»Ausgezeichnet«, stellte er mit leicht klebriger Stimme fest. Er kaute, schluckte und seufzte. »Die sind superb.« Er griff nach einer smaragdgrünen Schlange.
Einer der Corporals bemerkte: »Wir haben einen neuen Konditor aus Yance, Tai-shu. Er hat gesagt, er wollte ein wenig experimentieren.«
»Tatsächlich?« Sakamoto biss den Kopf von der Konfektschlange. »Her mit ihm .«
»Tai-shu«, ermahnte Worridge, jetzt leicht ungeduldig, als die beiden Männer gingen. Wie konnte sich dieser Mann in einem solchen Augenblick den Wanst vollstopfen, am Vorabend einer weiteren Angriffswelle - der vierten schon, wer hätte gedacht, dass sie so weit kommen würden -, und all das immer noch ohne den Segen des Koordinators?«
Er schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. »Wir brechen im Morgengrauen auf. Ich habe vor, auf dem Weg nach Saffel zu den anderen Trup-pen zu stoßen, und diesmal werde ich mir die Beine vertreten, und ebenso die meines Mechs. Ach ja.« Er zupfte ein weiteres Konfekt vom Tisch. »Ich lasse die Überlebenden des Zorn hier.«
Das überraschte sie. Bis auf den dunkelhäutigen Chu-sa und ein paar seiner Kameraden hatte Sakamoto sämtliche Mitglieder des Zorn exekutiert. Irgendwie mochte der Chu-sa wohl kooperiert haben, aber wozu sollte es gut sein, sie zurückzulassen? »Wozu?«
»Was sollen wir mit ihnen? Ich habe keine Lust, Gefangene durch die Gegend zu schleppen. Und wohin sollen sie fliehen? Der Einzige, den wir mitnehmen werden, ist dieser widerliche alte Ritter.«
»Aber ... aber sie könnten eine Warnung ...«
»An wen? Und wie? Hier gibt es kein HPG und auch niemanden, der sie hören könnte. Der einzige Fleck auf dem Planeten, der Leben tragen kann, ist Homai-Zaki, und da haben wir Truppen.«
»Und wenn der Zorn Vergeltung sucht, werden unsere Leute dort ebenso verwundbar sein wie ...«
»Ich habe meine Entscheidung getroffen, Tai-sho.« Er griff nach dem nächsten Konfekt. »Bestimmt wartet irgendwo eine Aufgabe auf Sie.«
Überraschung, gefolgt von Wut, durchzuckte Worridge. Als sie hinunter auf ihre Hände blickte, stellte sie fest, dass sie zitterte. Wie kann dieser... es wagen! Nein. Geduld. Jetzt ist nicht der geeignete Zeitpunkt. Aber bald. Ich muss etwas gegen diesen Wahnsinn unternehmen ... Sie faltete ihre Serviette und stand auf. Nach einer Verbeugung verließ sie den Raum ohne ein weiteres Wort.
Sakamoto wartete, bis sich die Luke zischend hinter Worridge geschlossen hatte, dann drückte er einen Rufknopf. »Bringt mir den Chu-sa des Zorn.«
Fusilli wurde fünf Minuten später vorgeführt. Sakamoto wartete, bis die Wachen fort waren. »Sie werden verstehen, wenn ich Sie nicht zu einem Drink einlade.«
»Hn-hnh.« Fusillis Augen waren rot. Seine sonst dunkle Haut wirkte jetzt bleich, seine Kleidung stank. Nach
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