Tochter des Glueck
frische Babybambussprossen.
»Du hast dich wirklich gut geschlagen, Mom«, flüstert mir Joy auf Englisch zu. Sie klingt stolz. Mein Lächeln ist diesmal ehrlich.
Dann geht es wieder zurück auf die Felder. Weitere Wettbewerbe stehen an: noch mehr Mais, noch mehr Reis, dann ein rascher Tempowechsel, um alte, zähe Blätter von Teesträuchern zu entfernen. Die Begeisterung des Vormittags verflüchtigt sich im Lauf des Nachmittags. Wir sind müde, aber fest entschlossen. Die Mannschaften des Schwarzbrückendorfs fallen zurück, aber Mondteich und Gründrachen gewinnen die gleiche Anzahl von Wettbewerben.
»Beim letzten Wettbewerb müsst ihr Süßkartoffeln ernten«, verkündet Brigadeführer Lai.
Es ist etwas unfair, das genau ans Ende des Tages zu legen. Ziemlich unfair, so einen Wettbewerb überhaupt mit einzuschließen! Süßkartoffeln? Das sind nicht die dicken, fetten, orangefarbenen Kartoffeln, wie es sie in Los Angeles gab. Selbst dort mochte ich sie nicht sonderlich gerne, ich habe sie nur einmal mit Minimarshmallows zubereitet, weil Joy meinte, das müsste man an Thanksgiving essen. Hier pflanzt man Süßkartoffeln als Futter für die Wasserbüffel und anderes Vieh. Weshalb soll ich mich für sie in der Sonne bücken und graben? Aber ich möchte Joy glücklich machen, deshalb hetzen wir von einem Ende des Feldes zum anderen, graben nach Süßkartoffeln, ziehen sie heraus und werfen sie in unsere Körbe. Viele bleiben jedoch im Boden stecken. Wir haben heute schon unsere Lektion gelernt. Geschwindigkeit zählt mehr als Menge. Unser Gründrachendorf wird zuerst fertig und gewinnt den Preis der Volkskommune Löwenzahn Nummer acht für die schnellste und beste Ernte. Was gewinnen wir? Reisgutscheine, die wir schon zur Genüge besitzen. Ich verstehe es nicht, aber meine Tochter ist begeistert. Sie umarmt mich, ich drücke sie. Über ihre Schulter sehe ich Gesichter, die unsere sichtbaren Zeichen der Zuneigung missbilligen. Ich erwidere die Blicke und lächle breit dabei. Was können sie mir schon anhaben?
»Möchtest du mit ins Hofhaus kommen und baden?«, flüsterte ich Joy ins Ohr.
Sie weicht zurück und wirft mir einen dieser Blicke zu, die ich einfach nicht deuten kann. Dann sagt sie: »Ja, gerne. Sehr gerne.« Sie senkt die Stimme und fügt auf Englisch hinzu: »Danke, Mom.«
Mir tut alles weh, und ich bin erschöpft, aber ich gehe zurück ins Hofhaus, hole Wasser, schüre den Herd an und erhitze das Wasser in unserem letzten großen Topf. Kumei hilft mir dabei, einen alten Waschzuber in die Küche zu ziehen, dann verlässt sie den Raum. Wir sind zwar alle Frauen, doch nackte Haut ist zu intim, selbst wenn wir unter uns sind. Joy zieht sich aus und steigt in die Wanne. Mir fällt auf, dass sie den kleinen Beutel nicht mehr um den Hals trägt. Sie sitzt mit angezogenen Beinen da, die Knie unter dem Kinn. Ihr Enthusiasmus verliert sich im heißen Wasser. Sie scheint gar nicht zu merken, dass sie sich in die Karten blicken lässt, während die Niedergeschlagenheit, die ich an dem Morgen nach ihrer Hochzeit gesehen habe, wieder hochkommt.
»Erinnerst du dich noch, als du klein warst und ich dich im Spülbecken in der Küche gewaschen habe?«, frage ich sie. Sie schüttelt den Kopf. »Wahrscheinlich warst du noch zu klein – du warst ja noch ein Baby. Dein Dad saß am Tisch und hat uns zugesehen. Deine Großeltern auch.«
Ich nehme ein Tuch, tauche es ins Wasser, schäume Seife damit auf und wasche meiner Tochter mit langen, rhythmischen Bewegungen den Rücken.
»Und wie du gekichert hast! Dabei ging mir das Herz über, und ich werde es nie vergessen. Du hast mit den Händen immer auf das Wasser gepatscht, bis ich völlig durchnässt war, und der Küchenboden auch!« Ich muss unwillkürlich lachen.
»Großvater Louie hat das nichts ausgemacht?«
»Du weißt doch, wie er war – Pan-di hier und Pan-di da. Er war knurrig, aber er hatte dich lieb. Deine Yen-yen genauso. Dein Baba hatte dich lieb. Und ich hatte dich am allermeisten lieb.«
Ein Schauer durchläuft sie. Hör auf, bevor du zu weit gehst , sage ich mir.
»Wenn wir schon dabei sind, kann ich dir auch gleich die Haare waschen.« Ich schöpfe Joy das warme Wasser über den Kopf. Ich wasche ihre Haare und spüle sie aus, wobei Joy das Wasser über den Rücken rinnt.
»Natürlich gab es auch schwere Zeiten«, fahre ich fort. »Aber wenn ich dich aus dem Spülbecken hob, Joy, ganz rosa und glitschig, dich in ein Handtuch wickelte und dich deinem
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