Tochter des Glueck
und geliebt zu werden. Trotzdem war das alles nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ein paar Wochen Campingabenteuer in einem Hofhaus sind schön und gut, aber die Einsicht, dass ich den Rest meines Lebens so verbringen muss, ist doch etwas ganz anderes.
In drei Monaten Eheleben habe ich Folgendes gelernt: Auch in der Neuen Gesellschaft müssen sich die Frauen um den Ehemann, die Kinder und die älteren Familienmitglieder kümmern. Sie müssen das Haus in Schuss halten, putzen, nähen und waschen. Zusätzlich zu all dem arbeiten sie auch noch außer Haus. Seit der Einführung der Kommunen wurden ein paar Änderungen vorgenommen. Für arbeitende Frauen gelten nun drei Regeln: Während des Besuchs der kleinen roten Schwester darf keine Frau im Wasser arbeiten. Werdende Mütter dürfen nur leichte körperliche Arbeiten verrichten. Mütter arbeiten in der Nähe ihres Heims. Es gibt auch ein paar ungeschriebene Gesetze. Am Ende des Tages sollen die Frauen bereit sein, noch ein Kind für die große sozialistische Nation zu empfangen. Dafür sollen wir uns mit ein paar Worten des Lobes oder einem Klaps auf den Arm zufriedengeben. An diesen Dingen halte ich mich fest, denn sie beweisen mir Taos Liebe und meinen Wert.
Die Alternative ist nicht so verlockend. »In jeder Ehe sollten Kritik und Selbstkritik geübt werden«, sagt mir Tao fast jeden Tag. »Einheit ist nur möglich, wenn die eine Seite den notwendigen und gebührenden Kampf gegen die Fehler führt, die der andere begeht.« Jetzt, wo wir verheiratet sind, begehe ich in Taos Augen viele Fehler.
Früher fühlte ich mich zu Tao hingezogen, aber der Sex ist eine gewaltige Enttäuschung. Selbst wenn mich Tao an den richtigen Stellen berühren würde und nicht so grob und schnell wäre, wie sollte ich bei zehn Menschen im Nebenraum nicht nervös werden und mich unbehaglich fühlen? Manchmal frage ich ihn, ob wir nicht zum Pavillon der Wohltätigkeit gehen können. Ich möchte fühlen, was ich vor unserer Hochzeit gefühlt habe. Ich stelle mir vor, was wir alles tun könnten, wenn wir ganz allein dort wären. Ein bisschen davon habe ich Tao sogar zugeflüstert. Ich spüre seine Reaktion in meiner Hand, aber er sagt: »Das ist jetzt nicht mehr nötig. Wir sind verheiratet. Du solltest dich nicht so wichtig nehmen.« Mit anderen Worten, ich bemühe mich, aber wozu? Es ist ihm egal.
Sex ist das eine, glücklich sein etwas anderes. Ich hasse diesen Ort, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich Tao überhaupt mag, nachdem ich ihn richtig kennengelernt habe.
Kommt das plötzlich? Überhaupt nicht. Schon am nächsten Morgen wusste ich, und weiß es jeden Morgen wieder, dass es ein Fehler war, Tao zu heiraten. Aber auf meine sture Tigerart habe ich es als die Strafe akzeptiert, die ich, wie ich glaube, verdient habe. Andererseits mache ich mir ständig Vorwürfe, weil ich mich so leicht täuschen und beeinflussen lasse. Ja, ich bin so durcheinander wie immer.
Als meine Mutter hier war, konnte ich nicht mit ihr darüber sprechen, denn sie sollte sich keine Sorgen machen. Nach unserem Gespräch an dem Abend im Hofhaus versuchte ich ihr vorzuspiegeln, ich sei glücklich. Ich habe ihr gesagt, was sie wahrscheinlich hören wollte. Ich wollte, dass sie wirklich glaubt, ich sei glücklich, damit sie nach Shanghai zurückkehren konnte. In Wahrheit bin ich jedoch todunglücklich. Ich habe nicht nur mein Leben ruiniert, sondern auch ihres. Was ich getan habe, hat alles nur schlimmer gemacht, und ich kann nichts ändern oder geradebiegen. Jetzt, wo sie weg ist, umgeben mich die düsteren Gefühle, die mich seit dem Tod meines Vaters quälen, wieder mit ihrer öligen Schwärze.
Den ganzen November hindurch bin ich mit den typischen Arbeiten einer Bäuerin beschäftigt – ich flicke Kleider, lege Gemüse ein, lagere getrocknetes Gemüse. Schweine werden geschlachtet – was an sich schon ekelhaft ist –, dann einige Wochen in Salzlauge eingeweicht und schließlich mit Chilis bedeckt, um die Fliegen fernzuhalten. Da wir nun zu einer Kommune gehören, werden die Teile des Schweins außen an der Führungshalle aufgehängt und nicht mehr an den einzelnen Häusern, so wie früher. Wir essen weiter, so viel wir wollen, in der Kantine, aber als der Dezember kommt und die Temperatur unter den Gefrierpunkt sinkt – die zusätzlichen Maisstauden an der Wand der Kantine sind kein großartiger Schutz gegen das Wetter –, führt Brigadeführer Lai die Rationierung ein.
Tao sagt, ich
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