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Tochter des Glücks - Roman

Tochter des Glücks - Roman

Titel: Tochter des Glücks - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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wohl, was Parteisekretär Feng Jin der Künstlervereinigung darüber berichten wird, wen ich ins Gründrachendorf mitgebracht habe und wie du die Massen verdirbst?« Er wechselt ins Englische. »Du bist Ausländerin. Ich weiß immer noch nicht, wie ich dich weiterhin schützen soll, wenn wir nach Shanghai zurückkehren.«
    »Vielleicht will ich ja gar nicht zurück …«
    Mit einer ungeduldigen Handbewegung tut er meine Bemerkung ab. Er atmet tief durch, um sich zu beruhigen, ehe er fortfährt. »Ich möchte dir begreiflich machen, dass ich nicht immun gegen die Liebe bin. Gerade du solltest das wissen. Ich weiß, dass es unmöglich ist, junge Leute voneinander fernzuhalten, wenn sie zusammen sein wollen. Immerhin dauert das Ganze ja nur ein paar Minuten.«
    Seine Derbheit und Deutlichkeit schockieren mich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater Sam jemals so etwas zu mir gesagt hätte.
    »Mir fällt nur eine Lösung ein«, sagt Z. G. »Ihr beide müsst in meiner Nähe bleiben. Von jetzt an wird dich Kumei zu den Feldern und wieder nach Hause begleiten. Und du gehst nicht mehr mit Tao zum Pavillon der Wohltätigkeit.«
    »Woher weißt du …«
    »Das hier ist ein kleines Dorf. Es gibt keine Privatsphäre. Jeder sieht alles. Hast du das noch nicht gemerkt?« Er hält inne, damit ich das auch wirklich begreife. »Abends gehst du mit mir in die Ahnenhalle zum Politikunterricht und unseren Kunststunden. Du teilst selbstständig das Papier und die Pinsel aus. Du brauchst keine Hilfe.«
    »Dann sehe ich ihn doch nie mehr …«
    »Am nächsten Samstagabend«, fährt Z. G. einfach fort, »gibt es eine Ausstellung der besten Arbeiten. Tao und du werdet eure Bilder vom Pavillon der Wohltätigkeit zeigen.«
    »Aber ich habe dort doch gar keine Bilder gemalt«, gebe ich zu. »Und Tao auch nicht.«
    »Das ist mir bewusst«, sagt er trocken. »Ihr beide müsst sofort damit anfangen. Nach dem Unterricht in der Ahnenhalle kommt ihr beide mit mir ins Hofhaus.«
    »Ich möchte nicht, dass jemand denkt, ich hätte eine Sonderstellung …«
    »Sie werden nicht denken, du wärst etwas Besonderes, wenn sie sehen, wie ich mit dir umgehe. Ich werde dir beibringen, wie man malt, und du wirst es lernen. Ich gebe dir Hausaufgaben, und du erledigst sie. Ich werde nicht nett sein. Jeder erkennt Taos Talent an. Aber bei dir? Ich bin mir nicht so sicher, ob du besonders talentiert bist, aber du bist besser als alle anderen hier. Deshalb halten wir drei von nun an Privatstunden im vordersten Hof ab. Das Tor lassen wir offen, damit uns jeder sehen kann. Bald werden die Leute verstehen, dass es bei euren Besuchen des Pavillons der Wohltätigkeit nur um Malen und Zeichnen ging. Nichts anderes. Wenn ihr Glück habt, seid ihr in ein, zwei Tagen vergessen. Wenn es so weit ist und ich einmal ein paar Minuten verschwinden muss …«
    Vielleicht wird das gar nicht so schlimm. Vielleicht wird das sogar eine gute Sache. Tao und ich können tagsüber auf den Feldern arbeiten und abends unseren Sonderunterricht bekommen. Wir werden etwas von Z. G. lernen, aber auch zusammen sein, ohne dass es allzu gefährliche Folgen haben könnte. Ich bin neunzehn, und ich bin nicht dumm. Mit Tao ist alles sehr schnell gegangen. Und wie Z. G. schon bemerkt hat, weiß ich ganz genau, wo das hinführen kann.
    »Und was passiert nach dem Samstag?«, frage ich.
    »Das sehen wir dann. Denk daran, ein Mensch ist seine Geschichte. Wenn deine Geschichte nicht gut ist, bist auch du nicht gut. Jemand, der als Fünfjähriger ein Rebell war, wird auch als junger Mann ein Rebell sein und als Rebell sterben. Was bist du, Joy? Was hast du für eine Geschichte, und was wird aus dir werden?«
    Und so beginnt mein Kunstunterricht. Wie angekündigt, ist Z. G. nicht sonderlich nachsichtig mit mir. »Die Umrisse gelingen dir gut, aber der Ausdruck geht noch nicht tief genug«, urteilt er. »Unser großer Vorsitzender hat gesagt, es darf keine Kunst um der Kunst willen geben. Du musst die Gedanken und die Gefühle der Menschen ausdrücken. Es muss realistisch sein!«
    Ich arbeite härter als jemals zuvor in meinem Leben. Z. G. urteilt streng, aber durch seinen Unterricht kann ich mit Tao zusammen sein. Seine Anwesenheit zeigt denjenigen, die sich abends im Hof unseres Hauses um uns drängen, dass der Lehrer seine Tochter nicht bevorzugt.
    »Tao hat Talent«, sagt Z. G. zu den Dorfbewohnern. »Meine Tochter … Sie lernt gerade, dasselbe Bambusblatt immer wieder zu malen. In der

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