Tochter Des Krieges
wusste er jedoch, dass er der Einzige war, der die Kinder retten konnte. Er duckte sich wieder und wartete, bis Richard in seiner Nähe war. Er wollte sich auf ihn stürzen, ihm das Zepter aus der Hand reißen und ihn damit erschlagen.
Danach musste er sich der anderen Dämonen annehmen, jenen schattenhaften Geschöpfen, die zu gerissen waren, um ihre wahre Gestalt zu zeigen.
Die Kinder – fünf jungen und zwei Mädchen – waren jetzt ganz nahe, und ihre furchtsamen und hoffnungslosen Schreie zerrissen Thomas das Herz.
Wie konnten die Dämonen es wagen, ihnen das Leben zu rauben und sie in ihrer Unschuld in die ewige Hölle zu führen!
Thomas klammerte sich an den Felsbrocken, während die Kinder und Dämonen an ihm vorbeizogen, und machte sich zum Sprung bereit.
Doch als Richard in seine Nähe kam, hörte er noch eine Stimme und Schritte. Richard und die Dämonen hielten in ihrem verrückten Tanz inne, drehten sich um und blickten zum Wald zurück.
Ein Mann war zwischen den Bäumen hervorgetreten. Ein Ritter. In eine Rüstung gehüllt, die in reinem Weiß erstrahlte. In der Hand hielt er weder Schwert noch Streitkolben oder Axt, sondern einen Langbogen, und vor Thomas’ Augen hob er den Bogen und legte einen Pfeil ein.
»Das wirst du nicht wagen!«, schrie Richard.
»Ich wage es«, sagte der Ritter, und Thomas weinte, weil er seine Stimme erkannte, »denn es ist mein Recht.«
Damit schoss er einen Pfeil ab, der Richard in den Bauch traf und mit roter Spitze an seinem Rücken wieder heraustrat.
Richard heulte auf, krümmte sich vornüber und sank zu Boden, während die Dämonen aufschrien und verschwanden. Die Kinder blinzelten überrascht und liefen dann den Pfad zurück auf den glänzenden Ritter zu.
Thomas erhob sich und ging ebenfalls zu dem Ritter hinüber.
Während die Kinder sich um ihn versammelten und seine Beine und Hüfte umklammerten, hob der Ritter das Visier seiner Kesselhaube, damit alle sein Gesicht sehen konnten.
Es war ein Gesicht von außergewöhnlicher Schönheit – mit samtener, heller Haut und großen himmelblauen Augen, die beinahe doppelt so groß waren wie die der meisten Menschen.
Dieser Ritter war kein gewöhnlicher Mensch. Er war ein Engel und doch wieder nicht.
Er war Hal Bolingbroke.
»Hal«, flüsterte Thomas, als er vor ihm stehen blieb.
»Tom«, sagte Hal und streckte eine kettengepanzerte Hand aus. »Willst du als mein Gefolgsmann dienen?«
»Ja«, sagte Thomas. »Ja!«
»Willst du mir Gehorsam und Treue schwören?«
»Ja, ich schwöre es!«
Dann nahm Hal Bolingbroke Thomas’ Gesicht in beide Hände, beugte sich vor, während die Kinder sich um ihn scharten, und küsste ihn anmutig und liebevoll auf den Mund.
Thomas regte sich, und Margaret wurde klar, dass er bald erwachen würde.
»Noch nicht, mein Liebster«, flüsterte sie. »Sink noch einmal in einen süßen Traum.«
Den vorangegangenen Traum hatte sie ihm schicken müssen. Den nun folgenden schenkte Margaret ihrem Gemahl aus reinster Liebe zu ihrer Hochzeit.
Thomas stand auf dem Turnierplatz, demselben Turnierplatz, auf dem er die Nachricht von Alice’ Selbstmord erhalten hatte. Um ihn herum befanden sich Männer und Pferde, doch sie waren verschwommen und die Geräusche gedämpft, als wären sie in einem Zauber gefangen.
Er stand da und wartete auf etwas, obwohl er nicht wusste, worauf. Im Gegensatz zum Höllentor verspürte er jedoch weder Angst noch Beklommenheit.
Stattdessen war er von einem Gefühl großen Friedens erfüllt.
Zu seiner Linken regte sich etwas, und Thomas wandte sich nach dem Geräusch um.
Eine Trau kam über den Turnierplatz zu ihm herüber, einen Säugling auf dem Arm. Um sie herum stürzten sich Männer in Schaukämpfen aufeinander und Pferde tänzelten, all ihre Bewegungen waren merkwürdig verlangsamt, doch die Trau schenkte ihnen keinerlei Beachtung.
Sie hielt den Blick nur auf Thomas gerichtet und lächelte.
»Alice«, sagte er mit einem Stöhnen. »Alice!«
»Sieh nur«, rief sie ihm zu und hielt das Kind hoch, während sie näher kam. »Sieh nur, unsere Tochter.«
Thomas weinte und nahm das Kind auf den Arm. Es war wunderschön, so vollkommen, so lebendig.
»Alice… «, begann er, doch seine Kehle war wie zugeschnürt, und er konnte kein Wort herausbringen.
Sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. »Mach dir keine Sorgen um uns, Thomas. Wir leben ein friedliches Leben nach dem Tod. Ich bereue zutiefst, was ich getan habe, denn weder meine
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