Tochter Des Krieges
dieser Nacht nicht ihr Ziel erreichte, würde womöglich alles misslingen. Gütiger Heiland, vergib mir, betete sie, aber ich muss es tun.
Überaus vorsichtig und doch nicht verstohlen, denn dann würde er ganz sicher aufwachen, rutschte sie dicht an ihn heran und schmiegte sich an ihn, sodass ihre Körper einander ganz berührten.
Ihr Leib war immer noch feucht von ihrem Liebesakt und das war gut so, denn es würde die Verbindung zwischen ihrer Seele und der seinen herstellen.
Sie lag da und wartete, um ganz sicher sein zu können, dass er nicht aufgewacht war. Ihr Blick glitt über seinen Körper, ein kleines Lächeln trat auf ihr Gesicht, als sie sich daran erinnerte, wie sie sich zuvor geliebt hatten. Er war überraschend zärtlich und sanft gewesen, wie in jener Nacht, als sie ihn im Savoy besucht hatte. Er war ein guter Liebhaber, soweit Margaret dies beurteilen konnte. Sie wusste nur, dass sie den Liebesakt mit Thomas mehr genossen hatte als mit Raby. Irgendwie schien im Bett ein Teil von Thomas’ wahrer Natur zutage zu treten.
Dies erinnerte Margaret an Alice und das Versprechen, das sie ihr gegeben hatte. Sie lauschte noch einmal auf Thomas’ Atmen… sie würde noch einige Minuten warten müssen, bis er ganz in Tiefschlaf gesunken war.
In der Zwischenzeit… Margaret legte die Hand auf den Bauch und dachte nach. Sie hoffte, dass sie heute Nacht nicht gleich wieder schwanger geworden war – wenn möglich, wollte sie ihre nächste Schwangerschaft noch etwas hinauszögern. Keiner von ihnen beiden war auf das Grauen vorbereitet, das die nächste Geburt mit sich bringen würde, und dennoch ließ es sich nicht ganz verhindern.
Margaret seufzte. Sie bedauerte das Versiegen ihrer Milch nicht nur, weil sie es schön gefunden hatte, Rosalind zu stillen, sondern auch, weil das Stillen eines Kindes häufig eine erneute Empfängnis verhinderte. Nun blieb ihr nichts anderes übrig, als die Wiesen von Halstow Hall zu durchstreifen und die Kräuter zu finden – Schwertlilie, Flohkraut und Panax Herculeus –, welche die Blutung einer Frau auslösen und jedes Kind entfernen konnten, das sich eingenistet hatte.
Thomas’ Atem war gleichmäßiger und noch tiefer geworden, und Margaret richtete sich auf einem Ellenbogen auf, sodass sie sein Gesicht sehen konnte.
»Tom?«, flüsterte sie.
Es kam keine Antwort.
»Süßer Tom«, wisperte sie, hob den Arm und legte ihn um seine Schulter.
Er regte sich ein wenig, sank jedoch sofort wieder in Schlaf zurück.
Sie legte die Hand auf sein Haar und vergrub die Finger tief in seinen schwarzen Locken.
Er regte sich erneut und schmiegte sich an ihren Körper.
»Liebster Tom«, flüsterte sie und küsste ihn auf die Stirn. »Träume süß.«
Er stand wieder vor dem Höllenschlund, doch dieser unterschied sich sehr von dem seines früheren Besuchs.
Der Schlund war erwacht. Offen.
Große Stichflammen loderten zischend zwischen den Steinen hervor. Schwefelwolken stiegen auf und verpesteten die Luft. Schreie, Heulen und Jammerrufe erfüllten die Nacht.
Die Tore der Hölle standen offen.
Thomas riss den Arm vor das Gesicht, beinahe überwältigt von der Hitze und dem Gestank. Er stolperte rückwärts, spürte erleichtert einen Felsbrocken in seinem Rücken und wäre in seiner Eile, hinter ihm Schutz zu suchen, beinahe gestürzt.
Das Klagegeschrei wurde immer lauter, doch es schien eher aus dem Tal vor ihm zu kommen als aus dem Höllenschlund. Thomas reckte seinen Kopf hinter dem Felsen hervor und blickte den Pfad hinunter.
Eine Gruppe von etwa fünf oder sechs nackten Kindern wurde von einem Halbkreis aus schattenhaften, tanzenden Dämonen auf die Tore der Hölle zugetrieben. Die Dämonen trugen Heugabeln und angespitzte Holzpfähle, mit denen sie nach den schreienden Kindern schlugen und stachen und sie immer weiter auf die Hölle zutrieben.
Hinter den Kindern und Dämonen folgte ein Mann, der zu den Schreien der Kinder freudig umhertanzte. Seine Gesichtszüge verwandelten sich ständig von denen eines Jünglings in die eines grinsenden Dämons und wieder zurück. Sein Gesicht änderte sich fortwährend, sodass seine menschlichen Züge nur schwer zu erkennen waren.
Aber Thomas wusste, wer er war. Er trug grüne Kleider, die schamlos knapp und eng anliegend waren. Auf seinem Kopf saß eine Krone, und in einer Hand hielt er ein Zepter.
Der Dämonenkönig. Richard.
Thomas erstarrte, von einer Furcht erfüllt, wie er sie noch nie zuvor empfunden hatte. Zugleich
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