Tochter Des Krieges
beobachtet hatte – immer noch wurden Pferde, Ausrüstung und Gepäck ausgeladen –, und ließ den Blick durch sein Gemach gleiten. Es war klein und nur spärlich möbliert, beinahe wie eine Zelle. Es gab einen Schemel, eine kleine Truhe, in der er seine Habseligkeiten unterbringen konnte – die jedoch nicht sehr zahlreich waren: ein zweites Obergewand, etwas Wäsche und ein kleines, schmuckloses Gebetbuch, an dem er sehr hing –, und es gab ein einfaches Holzbett, auf dem er schlafen konnte, doch nicht einmal einen Kamin. Dennoch war es ein Raum für ihn allein, etwas, womit Thomas nicht gerechnet hatte.
Nun, umso besser, dann konnte er wenigstens in Ruhe beten.
Er seufzte. Er war wieder in England, und ein weiterer Abschnitt seiner Reise lag hinter ihm, doch er hatte noch sehr viel vor sich. Thomas bezweifelte, dass er London vor dem Weihnachtsfest würde verlassen können und das bedeutete eine weitere Verzögerung von zwei oder drei Wochen.
Und dann war da noch der Ordensgeneral. War ihm womöglich zu Ohren gekommen, dass Thomas in Lancasters Gefolge reiste? War er bereits in diesem Augenblick mit grimmiger Miene auf seinem Maultier von Oxford nach Süden unterwegs?
Richard Thorseby konnte Thomas’ Vorhaben, nach Norden zum Konvent am Bramhamer Moor zu reisen, wo er Wynkyn de Wordes Schatulle zu finden hoffte, vereiteln, und nur Lancaster verfügte über genügend Macht, um Thomas vor den Anordnungen des Ordensgenerals zu beschützen.
Thomas warf einen Blick auf den Schemel. Ein Teller mit Brot- und Käseresten stand darauf; Katherines Einladung hatte sich nicht darauf erstreckt, der Familie beim Abendessen Gesellschaft zu leisten. Nun, es war schon weit nach Sonnenuntergang, und in seinem Gemach wurde es langsam kühl. Es wurde Zeit, sich Lancaster und Katherine für den Abend anzuschließen.
Während er sein Gemach verließ und dabei die Wachen bemerkte, die in regelmäßigen Abständen im Gang postiert waren – Lancaster wollte offenbar sichergehen, dass Thomas nicht auf eigene Faust nach Norden aufbrach –, fragte sich Thomas, was aus Lady Margaret geworden war.
Er sollte es bald herausfinden.
Lancasters eigene Gemächer befanden sich direkt hinter dem Hauptsaal, und als ihn die Wachen mit einem Nicken eintreten ließen, fiel sein Blick als Erstes auf Margaret.
Sie saß in der Nähe eines flackernden Feuers – seine Flammen hatten Thomas’ Auge sofort auf sich gezogen – und arbeitete an einer Stickerei, wie es viele adlige Damen taten, und zum ersten Mal, seit Thomas ihr begegnet war, trug sie etwas anderes als ihr geflicktes graues Kleid. Katherine, die in ihrer Jugend ebenfalls Armut und Vernachlässigung erfahren hatte, hatte Margaret eines ihrer eigenen Kleider aus zitronengelbem Leinenstoff überlassen, das an Saum, Ärmeln und Ausschnitt mit Kornblumen bestickt war. Es passte gut zu Margarets Hautfarbe, und sein Schnitt verdeckte ein wenig ihren gewölbten Leib.
»Thomas, kommt, schließt Euch uns an«, sagte Lancaster von einem Podest aus, der vor einem hohen Rundbogenfenster aus hauchzartem Buntglas stand. Katherine saß auf einem kleineren Stuhl neben Lancasters Thron, ihre Hand ruhte leicht auf seinem Arm, und ihr Gesicht war von einem Lächeln erhellt.
Katherine, dachte Thomas, sieht aus, als sei sie die glücklichste Frau der ganzen Christenheit.
Vor ihnen befand sich ein niedriger Tisch, auf dem Wein- und Wasserkrüge, Pokale und Teller mit Feigen und Datteln standen. An einem Ende war ein Schachbrett mit Figuren aufgebaut, über das sich Bolingbroke beugte. Er drehte unentschlossen einen Bauer in der Hand.
Eine junge Frau saß neben ihm. Ihre Wangen waren lebhaft gerötet. Sie hatte Katherines dunkelbraunes Haar und ihre leuchtenden grauen Augen, und Thomas erkannte in ihr augenblicklich Johanna Beaufort, die uneheliche Tochter von Lancaster und Katherine.
Und vermutlich Thomas’ nächste Tante.
Um sie herum hatten sich noch viele andere eingefunden; wie Margaret waren sie niedere Adlige, die zum Haushalt der Familie Lancaster gehörten.
Thomas neigte den Kopf zum Gruß und ging zu dem Stuhl neben Katherine, auf den Lancaster gezeigt hatte, als ein junger Mann aus einem mit Vorhängen abgetrennten Durchgang in der halb runden rechten Wand des Gemachs trat.
Thomas blieb stehen und verneigte sich vor ihm – ein wenig tiefer diesmal. »Lord Richard«, sagte er, »es ist viele Jahre her, seit wir uns das letzte Mal begegnet sind, und ich stelle fest, dass Ihr
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