Tochter Des Krieges
seither vom Knaben zum Mann herangewachsen seid.«
Es war Richard, der achtzehnjährige einzige Nachkomme des schwarzen Prinzen und seiner Gemahlin Johanna von Kent.
Er war groß und schlank – seine muskulöse Gestalt verriet das Erbe der Plantagenets – und besaß helles Haar, aber es war vor allem sein Gesicht, das Thomas’ Aufmerksamkeit erregte. Richard hatte dieselben schmalen, empfindsamen Züge wie sein Onkel, Gloucester, und das ließ nichts Gutes ahnen, denn er würde eines Tages König von England sein, und dem Land würde die Engstirnigkeit und Unduldsamkeit, die diese Züge häufig begleiteten, nicht zum Vorteil gereichen.
»Thomas«, sagte Richard und hielt kurz inne, um Thomas von Kopf bis Fuß zu mustern, »Ihr seht aus wie ein Inquisitor in diesen Gewändern und mit dem verdrießlichen Ausdruck in Eurem Gesicht. Seid Ihr hier, um uns alle in die Hölle zu schicken?«
Thomas gefror innerlich und zwang sich dann zu einem Lächeln. »Ich habe nur die besten Absichten, Richard, und werde niemanden in die Hölle schicken, es sei denn, man zwingt mich dazu.«
Lancaster und Katherine lachten, aber Hal musterte aufmerksam Thomas’ Gesicht und richtete den Blick dann wieder auf die Schachfigur, die er in der Hand hielt.
»Wir müssen aufpassen, was wir sagen«, sagte Lancaster und zwinkerte Richard zu, »sonst reicht Thomas all unsere Namen an das Heilige Amt der Inquisition weiter.«
Richard lächelte hart und kalt. Er setzte sich und nahm sich etwas Obst. »Ich glaube, darüber sollten wir nicht scherzen, Onkel. Thomas’ Freunde werden nur allzu schnell Opfer der Flammen.«
Alle erstarrten erschrocken. Margaret, die Alice’ Geschichte nicht kannte, war lediglich verwirrt. Doch sie sah, welche Wirkung die Bemerkung auf die anderen hatte, und senkte den Kopf über ihre Stickerei.
»Wenn Euch meine Anwesenheit nicht behagt«, sagte Thomas, »dann sollte ich wohl besser gehen.«
»Nein«, sagte Richard und wedelte lustlos mit seinem angebissenen Apfel, »bleibt. Vielleicht könnt Ihr uns mit Geschichten darüber unterhalten, was reumütige Bauern Euch während der Beichte ins Ohr flüstern. Stimmt es, Thomas, dass einige Bauern gern mit ihren Kühen Unzucht treiben?«
»Richard! «, sagte Lancaster und warf seinem Neffen einen durchdringenden Blick zu.
»Vergebt mir«, sagte Richard zu Thomas. »Ich habe mich im Ton vergriffen.«
Er klang nicht im Geringsten reumütig, und seine Augen funkelten immer noch boshaft.
Thomas nahm die Entschuldigung mit einer Verbeugung an und ging dann zu einem Schemel hinüber, den Hal zu sich herangezogen hatte. Er hoffte, dass Richard noch einige Jahre Zeit hatte, um reifer zu werden, ehe er seinem Großvater und seinem Vater auf den Thron folgte…
Aber Eduard war dem Tode nahe und der schwarze Prinz bereits in mittleren Jahren und krank!
Richard war dem Thron höchstwahrscheinlich näher, als man sich wünschen konnte.
Während die Gesellschaft eine beiläufige – wenn auch etwas gezwungene – Unterhaltung über die Vorzüge verschiedener Falken in Lancasters Stall begann, musterte Thomas den Herzog mit großem Interesse.
Lancaster war schon immer für seinen Ehrgeiz bekannt gewesen… wie sehr mochte es ihn geärgert haben, dass er der vierte Sohn war und nicht der erste? Die beiden Brüder zwischen ihm und dem schwarzen Prinzen waren gestorben… und zwischen Lancaster und dem Thron standen nur noch der Prinz und sein Sohn Richard. Hütete Lancaster den Thron lediglich für seinen Neffen oder wollte er ihn gar an sich reißen?
Es war weit nach der Komplet – Thomas hatte die Glocken von St. Paul’s von ferne läuten hören –, als Lancaster und Katherine sich erhoben.
Ehe sie das Gemach verließen, verhielt Lancaster nochmals kurz seine Schritte und drehte sich zu Thomas um.
»Morgen Mittag«, sagte er, »werden wir König Johann nach Westminster bringen, wo er von meinem Vater begrüßt wird. Thomas, es wird eine langwierige und pompöse Angelegenheit werden und ich denke, Ihr werdet hier glücklicher sein. Versteht das bitte nicht als Zurückweisung, Tom, denn Ihr seid zum Weihnachtsfestmahl in der Painted Chamber in meiner Familie willkommen… aber im Augenblick ist es das Beste, wenn Ihr in diesen Mauern bleibt.«
Damit gingen er und Katherine hinaus.
Kapitel Drei
Matutin am Donnerstag vor der Geburt
Unseres Herrn Jesus Christus
Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III.
(23. Dezember 1378, vor der
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