Tochter Des Krieges
wunderbar harmonisch klang, dass sie über den Tumult der Menge, die sich um sie herum drängte, hinweg zu hören war.
Nachdem sie ihre Pflichten als Gastgeberin erfüllt hatte, wandte sie sich Bolingbroke zu, der neben König Johann stand, und begrüßte ihn erst mit einem Knicks und dann, nachdem der Form Genüge getan war, mit einer herzlichen Umarmung.
Thomas, der immer noch an der Reling des Schiffes stand, sah mit reglosem Gesicht zu. Bolingbrokes Mutter, Lady Blanche, war gestorben, als er noch ein kleiner Junge gewesen war, und die Mätresse seines Vaters wurde für ihn zu einer Ersatzmutter. Obwohl Lancaster wieder geheiratet hatte – Konstanze von Kastilien –, hatte Hals Stiefmutter England nur selten besucht und wenn doch, war sie ihm mit kalter, abweisender Miene begegnet. Thomas hatte sie nur einmal getroffen, aber Bolingbroke hatte viel von ihr erzählt, und Thomas fragte sich, wie es Lancaster wohl gelungen war, mit ihr zwei Töchter zu zeugen. Thomas hatte schon vor Jahren festgestellt, dass Lancaster ungewöhnlich duldsam gegenüber der ablehnenden Haltung anderer war.
Jetzt wandte sich Katherine Gloucester zu, um ihn zu begrüßen, angesichts seines Verlustes ein wenig zurückhaltender.
Und dann…
… drehte sich Katherine um, hob den Blick und sah Thomas.
Einen Moment lang blieb ihr Gesicht, das trotz ihrer Jahre noch immer schön war, ausdruckslos, dann verzog sie die Mundwinkel zu einem lieblichen Lächeln, das von Herzen kam.
»Thomas!«, rief sie, hob beide Hände und trat vor Aufregung von einem Bein auf das andere. »Thomas! «
Thomas konnte nicht anders, er musste zurücklächeln. Katherine war nicht nur für Bolingbroke eine Ersatzmutter gewesen, sondern auch für ihn. Thomas’ Eltern waren gestorben, als er noch recht jung gewesen war, von demselben Wiederaufflackern der Pest dahingerafft, das auch Lady Blanche das Leben gekostet hatte. Rabys erste Gemahlin, seine Tante, war zu sehr mit ihrer eigenen Nachkommenschaft beschäftigt gewesen, um sich viel um Thomas kümmern zu können, und da er einen Großteil seiner Jugend mit Bolingbroke zusammen verbrachte, hatte Katherine ihm gegenüber mit derselben Wärme und Herzlichkeit die Rolle einer Mutter übernommen, wie sie es auch bei Bolingbroke getan hatte.
Sie war mit Sünden beladen, denn sie hatte mit Lancaster viele Jahre lang Unzucht getrieben und ihm zwei uneheliche Kinder geboren, aber Thomas liebte sie dennoch und konnte verstehen, warum Lancaster sie nie aufgegeben hatte und sie jetzt sogar, wenn Margaret die Wahrheit gesprochen hatte, zu seiner Gemahlin machen wollte.
Er winkte, verließ das Schiff, schlängelte sich durch die vielen aussteigenden Reisenden und an den Dienern vorbei, die an Bord gekommen waren, um beim Ausladen der Vorräte und des Gepäcks zu helfen, und eilte zu Katherine.
Sie zögerte, als er bei ihr angelangt war. »Ich weiß nicht, ob ich einen Geistlichen umarmen darf«, sagte sie mit einem unsicheren Lächeln, dann funkelten ihre Augen verschmitzt und sie beugte sich vor, legte die Hände auf Thomas’ Schultern und küsste ihn sanft auf die Wange.
»Ich habe dich seit über sechs Jahren nicht mehr gesehen«, sagte sie und betrachtete ihn aufmerksam. »Du hast mit Hal ein Turnier besucht und bist nie mehr zurückgekehrt. Ich habe um dich getrauert, als seist du tot.«
»Madam, Ihr könnt die Priesterweihe nicht mit dem Tod gleichsetzen.«
»Nein? Ich habe dich an jenem Tag verloren, Thomas. Wir alle. Aber«, sie hielt inne und lächelte, »ich bin froh, dass du nun heimgekehrt bist, wenn auch in einem solch trübseligen Gewand.«
Thomas’ Miene erstarrte, er spürte ihre unausgesprochene Kritik an seiner Entscheidung, sich zum Priester weihen zu lassen, nur zu deutlich. »Ihr solltet Euch freuen, Madam, denn ich habe die Welt der Menschen verlassen, um Gott zu dienen.«
Ihr Blick glitt prüfend über sein Gesicht. »Ich würde mich auch freuen, Thomas, wenn ich glauben würde, dass es die Liebe zu Gott ist, die dich zu dieser Entscheidung veranlasst hat. Aber Bedauern und Schuldgefühle bieten keine gute Grundlage für den lebenslangen Dienst an Gott… nicht wahr?«
Sie bezog sich auf das Unaussprechliche, Alice’ Tod, das Ereignis, das Thomas einst in die Arme der Kirche getrieben hatte, und er entzog sich ihr steif und kalt. Er würde sich nicht schuldig fühlen! Hatte der heilige Michael ihn nicht von aller Schuld entbunden? Hatte er nicht gesagt, dass er richtig gehandelt
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