Tochter Des Krieges
zur Vernunft kommt, wirst du dann deinen Vater darum bitten, dass er mich nach Norden reisen lässt? Hal, ich muss diese Schatulle finden! «
»Ja, denn ihre Geheimnisse weisen uns den Weg zur Vernichtung der Dämonen. In der Zwischenzeit… «
»In der Zwischenzeit mischen wir uns unter die Feiernden und halten die Augen offen… «
Thomas wandte sich zum Gehen, doch Hal hielt ihn noch zurück. »Thomas… gibt es sonst noch jemanden, der deiner Meinung nach ein Dämon sein könnte?«
Thomas antwortete nicht sofort.
»Ja«, sagte er schließlich. »Da ist noch jemand. Ein Geistlicher namens John Ball, dem ich bei den englischen Soldaten in Frankreich begegnet bin. Und Wat Tyler.«
Hal sah aus, als wollte er dagegen protestieren, aber Thomas war noch nicht fertig.
»Und Lady Margaret Rivers.«
»Ach, Thomas, nein. Warum glaubst du das?«
»Das kann ich nicht sagen. Und ich weiß auch nicht sicher, ob sie eine Dämonin ist oder nur das Opfer von dämonischer Hexerei… so wie ich.«
Hal knurrte. »Du hast sie nie gemocht… aber ich dachte immer, es missfiele dir, dass sie das Lager deines Onkels teilte. Was die anderen angeht… diesen John Ball kenne ich nicht… aber Wat Tyler?«
Thomas zuckte mit den Achseln. »Es gibt keinen besonderen Grund, nur einige Dinge, die Wat mir gegenüber geäußert hat… und er kannte John Ball, der ganz sicher ein Dämon ist, wenn es je einen gegeben hat! «
»Viele Engländer schwingen heutzutage seltsame Reden«, sagte Hal, »nicht nur Wat. Die traditionellen Bande zwischen Leibeigenen und Herren sind seit der Zeit der großen Pest immer schwächer geworden… «
»Ja… und wir wissen auch, warum, nicht wahr?«
»Hal! Ach, Tom, hier bist du.« Lancaster kam zur Tür herein, und Hal und Thomas zuckten schuldbewusst zusammen. Wie viel hatte er mitgehört?
»Die Pferde sind bereit«, sagte Lancaster, »die Frauenzimmer erstrahlen in den schönsten Seidenstoffen und Juwelen, und ein großes Festmahl erwartet uns. Was tut ihr beiden hier und flüstert miteinander, als hättet ihr vor, den König vom Thron zu stoßen?«
»Wir hecken nur unseren Weihnachtsstreich für Hotspur aus«, sagte Hal leichthin und klopfte Thomas auf die Schulter. »Komm, Vater hat recht. Warum sind wir eigentlich immer noch in diesem eisigen Gemach?«
Westminster lag eine gute Meile südlich vom Strand, hinter Charing Cross. Die Palastanlage und die Abtei bildeten eine eigene Stadt, mit Dutzenden von Häusern, Werkstätten und Schlafsälen, in denen Diener, Arbeiter, Soldaten und Mönche untergebracht waren. Obsthaine und Gemüsegärten lagen zwischen und hinter vielen der Häuser. Das größte Gebäude der Anlage, die Abtei, war über fünfhundert Jahre alt, und der große Saal und der Palast waren nicht sehr viel jünger. Westminster war von den letzten angelsächsischen Königen absichtlich außerhalb der Mauern Londons errichtet worden, um die Monarchen vor Übergriffen der aufsässigen Londoner Bevölkerung zu schützen. Seither hatten sämtliche Könige ihren Hauptwohnsitz in der Palastanlage aufgeschlagen.
Dennoch war das wichtigste Wohngemach nicht besonders gemütlich, denn es war einer von drei großen, zugigen Sälen des Palastes. Sämtliche von Eduards Söhnen hatten sich andernorts Häuser gebaut oder gekauft, und ihren alternden Vater in dem hübschen, aber kühlen Saal, der als Painted Chamber bekannt war, seiner Arthritis überlassen.
Die Festlichkeiten des heutigen Abends sollten jedoch nicht in der Painted Chamber stattfinden, die zwar geräumig war, aber die Tausende, die zum Bankett eingeladen waren, unmöglich fassen konnte. Stattdessen hatte man die große Westminster Hall für diesen Anlass hergerichtet.
Es war ein beeindruckender Anblick. Fackeln erhellten den Weg durch die Straßen, die zu der Halle führten, und aus allen Teilen Englands, jedenfalls schien es so, waren unüberschaubare Mengen von Reitern herbeigeeilt, in Samt und Seide gekleidet und in Pelze gehüllt, um der Kälte des Winters zu trotzen. Andere kamen zu Fuß.
Doch die wartende Menge teilte sich, um Lancasters Gefolge durchzulassen. Einige Jubelrufe waren zu hören und ebenso einiges Zischen, doch meistens herrschte Stille, und Thomas wurde mit einem Mal klar, wie sehr die Meinungen der Engländer über Lancaster auseinandergingen. Warum war das so? Waren es nur sein Reichtum und seine Macht, oder verdächtigten sie ihn eines größeren Ehrgeizes, so wie er?
Eine Hörnerfanfare erklang, als
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