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Tochter Des Krieges

Tochter Des Krieges

Titel: Tochter Des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
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Feuer zurückgelassen.«
    Chaucers Mund zuckte. »Gut gesprochen, meine Liebe. Margaret… ich weiß über Eure Lage Bescheid, so wie die meisten bei Hofe, aber es wäre hilfreich, wenn Ihr auf die unvermeidlichen Fragen und Bemerkungen etwas besser vorbereitet wäret.«
    Sie neigte zustimmend den Kopf und wechselte das Thema und bewies damit, dass sie nicht so ungeübt in höfischen Gesprächen war, wie Chaucer angedeutet hatte. »Meister Chaucer, Euer Werk interessiert mich sehr. Offen gestanden erstaunt es mich, dass Eure Kritik an der Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft, insbesondere in Bezug auf die Not der Armen und das Schmarotzerdasein der Wanderprediger bei Hofe solchen Anklang findet.«
    Chaucer warf Thomas einen Blick zu, amüsiert über die Spitze, welche sie gegen die Geistlichkeit gerichtet hatte. Der Dichter spottete gern über die fetten, korrupten Prediger, die sich von den Armen und Bedürftigen ernährten, und sein Werk hatte ihm tatsächlich schon öffentlichen Tadel eingebracht. Wenn Lancaster ihn nicht beschützt hätte…
    »Lord Lancaster unterstützt viele Schriftsteller und Philosophen, edle Dame. Ohne ihn wären zweifellos viele von uns längst verhungert oder… «
    »In den Kerker geworfen worden«, sagte Thomas mit einem Grinsen. Er mochte Chaucer, und wenn sein Werk die korrupten Mitglieder der Kirche offen verspottete, nun… Kritik an der Sünde war noch nie falsch gewesen, ganz gleich, aus welchem Mund sie stammte.
    »Es gibt viele, die heutzutage gegen den maßlosen Ehrgeiz und Reichtum der Kirche zu Felde ziehen«, sagte Chaucer und musterte Thomas sorgfältig. »Viele, die sie kritisieren. Ihr habt sicher schon von John Wycliffe gehört… «
    Thomas’ Gesicht verfinsterte sich. Allerdings gab es einige Stimmen, die man lieber zum Schweigen bringen sollte, anstatt ihnen freie Hand zu lassen.
    Bei dem Namen Wycliffe winkte Margaret ab. »Habt Ihr schon das neue Gedicht der Dissidenten gehört, Meister Chaucer, mit dem Titel ›Möge Gott den Pflug vorantreiben‹.«
    »Ja! Ja! Herrlich, nicht wahr? Ich kann mir nicht vorstellen, wer es geschrieben hat, aber ihm gebührt ein Platz im Himmel dafür.«
    »Ich habe es noch nicht gehört«, sagte Thomas. »Vielleicht…«
    »Ein Bauer pflügt ein schlammiges Feld«, sagte Margaret, »und wird von einem endlosen Strom von Geistlichen – Mönchen, Predigern, Bischöfen und Universitätsstudenten – gestört und von anderen, die von der Wohltätigkeit leben – Bettlern, freigelassenen Gefangenen, entlassenen Soldaten und Leprakranken –, die ihn allesamt um Geld und Essen bitten. Wie Ihr wisst, Thomas, sollen wir Wanderpredigern und Bedürftigen gegenüber großzügig sein. Wir, die wir in diesem großen Saal sitzen«, sie deutete auf die glitzernde Pracht um sie herum, »können uns das leisten. Aber der arme Bauer, dem das Essen für seine Kinder weggenommen wird, um damit die Bedürftigen zu ernähren? Er hat durchaus Grund zur Klage, meint Ihr nicht?«
    »Wir alle müssen Gutes tun«, sagte Thomas.
    »Ja, aber sollen ihre ›guten Taten‹ die Familien der Armen an den Rand des Hungertods bringen?«, fragte Chaucer. »Es gibt einige, die der Meinung sind, unsere Gesellschaft sei so verdorben, dass wir eine neue Ordnung brauchen, um die Not der vielen armen Arbeiter und Bauern zu lindern. Wie Ihr wisst, mehren sich diese Stimmen.«
    Darauf erwiderte Thomas nichts. Er hatte den Blick in die Ferne gerichtet, entsetzt darüber, dass die Dämonen ihre Ideen so erfolgreich unter die Menschen gebracht hatten. Sie hatten recht mit ihrer Klage – es gab einige Mitglieder der Kirche und der religiösen Orden, die tatsächlich moralisch verdorben waren –, aber die Vorstellung zu verbreiten, dass nur ein gesellschaftlicher Umsturz richten könnte, was auch durch einfache Ermittlungen innerhalb der Kirche gelöst werden konnte, Gottes Ordnung der Welt in Frage zu stellen, das war unerhört.
    »Ach«, sagte Chaucer, »dies ist ein Anlass zur Freude, und wir reden über nichts als Not und Hunger. Ich glaube – ich bin mir sogar sicher –, dass heute Nacht jeder Engländer ein ebenso reiches Mahl genießt wie wir.«
    Thomas warf ihm einen finsteren Blick zu, doch was immer er hatte sagen wollen, wurde vom Klang der Glocken, fröhlichen Stimmen und dem Schallen der Hörner unterbrochen.
    »Unser König!«, sagte Chaucer und erhob sich mit den anderen Gästen des Festes.
    König Eduard III. von England trat durch eine Seitentür in den Saal,

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