Tochter Des Krieges
ließ ihn dann unberührt stehen. »Ich schulde meinem Vater und meinem Bruder Treue, und durch diese Treue – auf die mein ganzes Leben aufbaut – bin ich auch an Richard gebunden! «
»Vielleicht«, sagte Hal leise, in dem Wissen, dass er mit diesen Worten sein Leben aufs Spiel setzte, und doch überzeugt, dass sie ausgesprochen werden mussten, »wäre es besser, wenn du den Thron selbst besteigst und… «
Lancaster drehte sich ruckartig um und starrte seinen Sohn ungläubig an. »Ist dein Ehrgeiz so überwältigend, Hal?«
»Würdest du einen Dämon auf den englischen Thron setzen, Vater?«
»Beweist es! Beweist mir, dass er ein Dämon ist!«
»Ich glaube…«, sagte Thomas zögerlich, »ich glaube, ich bin in der Lage dazu.«
Jetzt drehten sich sowohl Lancaster als auch Bolingbroke um und starrten Thomas an.
»Wynkyn de Wordes Schatulle«, sagte Thomas.
»Sie wird es Euch verraten?«, sagte Lancaster.
»Möglicherweise«, erwiderte Thomas. »Wer kennt schon alle ihre Geheimnisse? Aber sie wird auch den Dämonenkönig aus seinem Versteck locken, denn er wird tun, was in seiner Macht steht, damit ich sie nicht finde. Mein Herzog, gestattet mir, nach Norden zu reiten. Es muss sein. In London kann ich Euch nicht von Nutzen sein.«
Stille herrschte, abgesehen von Lancasters lautem, ärgerlichem Atmen.
Thomas hielt dem Blick des Herzogs stand. »Gebt mir Eure Erlaubnis, nach Norden zu reisen, mein Fürst.«
»Ihr werdet Euch vor dem Ordensgeneral in Acht nehmen müssen«, sagte Lancaster. »Er wird überall im Norden seine Späher haben.«
»Ich werde ihm aus dem Weg gehen«, sagte Thomas, und Lancaster knurrte.
Wieder herrschte Schweigen, und Thomas gelang es, seine Zunge und seine Ungeduld im Zaum zu halten.
Schließlich nahm Lancaster einen Schluck Wein. »Ihr könnt erst nach dem Begräbnis meines Vaters aufbrechen.«
Thomas neigte den Kopf. Es würde verdächtig wirken; niemand verließ London, ehe der König nicht begraben war.
»Und Ihr werdet mit Eurem ›Beweis‹ zurückkehren, bevor Richard im Frühjahr gekrönt wird.«
»Ja, mein Fürst.«
Lancaster ließ noch einen Moment den Blick auf ihm ruhen, dann sackten seine Schultern herab, und er entließ sie mit einer Handbewegung. »Verschwindet. Beide.«
Als Bolingbroke und Thomas zur Tür gingen, fügte Lancaster ruhig hinzu: »Wenn ich nicht der Meinung wäre, dass Ihr im Auftrag eines Engels handelt, Thomas, würdet Ihr und Hal Euch jetzt wegen verräterischer Worte auf dem Weg zum Tower befinden.«
Kapitel Elf
Matutin am zweiten Sonntag nach Weihnachten
Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
(Sonntag, vor der Morgendämmerung, 2. Januar 1379)
»Tom!«
Er erwachte mit einem Ruck, sein Geist war immer noch schlaftrunken. Wo war er? Westminster oder… nein, wieder in seinem Gemach im Savoy Palace, wohin er am vorangegangenen Nachmittag nach den eher verhaltenen Neujahrsfeierlichkeiten in Westminster zurückgekehrt war.
»Tom! Tom!«
Sein Verstand wollte nicht klarer werden. Er konnte nur an Lancaster denken, der von Verrat und Gefängnis gesprochen hatte.
»Tom?«
Gütiger Himmel! Es war Margaret! Er sprang aus dem Bett und war schon fast an der Tür, als ihn die kalte Luft auf seiner Haut daran erinnerte, dass er nackt war. Er griff nach seinem Gewand, zog es sich über den Kopf und fluchte, als der Wollstoff nicht über seine Schultern rutschen wollte.
»Tom!«
Thomas riss die Tür auf. »Im Namen der Heiligen, Weib! Ihr weckt den halben Palast auf!«
»Tom!«
Sie stand zitternd in ihrem dünnen Nachthemd da, einen roten Wollumhang um die Schultern geworfen.
Ihr Haar war offen, und Thomas bemerkte trotz der ungewöhnlichen Umstände, dass er es noch nie so gesehen hatte.
»Was macht Ihr hier?«, zischte er und versperrte den Eingang mit seinem Leib.
Sie ergriff ihren Umhang und versuchte, ihn fester um sich zu ziehen. Ihr Zittern war stärker geworden, und es kostete sie sichtlich Mühe, zu sprechen. »Ich habe Gerüchte über das Schicksal des schwarzen Prinzen in Frankreich gehört… «
»Und?«
Sie zuckte angesichts der kalten Gleichgültigkeit in seiner Stimme zusammen. »Ralph… ist ihm etwas zugestoßen?«
»Mein Onkel? Aber…«
»Nur weil es nicht sein Kind ist, das ich erwarte, heißt das nicht, dass ich keine Zuneigung für ihn empfinde. Tom, bitte, was wisst Ihr darüber?«
Er seufzte, blickte den Gang hinunter und zog sie dann in sein Gemach hinein.
Als sich die Tür
Weitere Kostenlose Bücher