Tochter Des Krieges
ersten Amtshandlungen war es, die Nachricht zu verbreiten, dass König Eduard seinem hohen Alter erlegen und eines natürlichen Todes gestorben war, beschleunigt durch die Lustbarkeiten der Weihnachtszeit. Was immer Lancaster und seine engsten Vertrauten vermuteten, Hexerei oder andere unnatürliche Umstände, die mit dem Ableben des Königs in Verbindung gebracht werden konnten, wurden mit keinem Wort erwähnt. Im Auftrag seines Vaters machte sich Bolingbroke auf die Suche nach den Mimen, die den König bei seinem Tod umringt hatten – doch keiner von ihnen wurde je gefunden.
Vorkehrungen für ein großes Begräbnis wurden alsbald getroffen, und Eduards Leiche wurde einbalsamiert und auf einer Bahre vor dem Altar der Abtei von Westminster zur letzten Ruhe gebettet.
Und Lancaster kümmerte sich außerdem im Geheimen um die Vorbereitungen für den nächsten Feldzug nach Frankreich im Frühjahr. Zweifellos war der schwarze Prinz ebenfalls damit beschäftigt, aber Lancaster war ein kluger Mann und wusste, dass es mehrere Monate dauern konnte, eine ganze Armee auszuheben.
Es gab auch noch etwas anderes, um das sich Lancaster in dieser Zeit kümmern musste: seine Hochzeit mit Katherine. Er hatte viele Jahre darauf gewartet, Katherine zu seiner Gemahlin zu machen, und nicht einmal der Tod seines Vaters oder mögliche Unruhen in England würden ihn davon abhalten können, selbst wenn die Hochzeit um einige Tage verschoben werden musste.
Die Kapelle St. Stephen’s, die zum Palast von Westminster gehörte, war vielleicht das schönste Gebäude Englands. Die spitz zulaufenden Lichtgaden und das hoch aufragende Dach des Mittelschiffs erreichten beinahe die Höhe der Türme der Westminsterabtei und ragten weit über die der mächtigen Westminster Hall hinaus.
Doch obgleich St. Stephen’s der Abtei von Westminster in mancher Hinsicht nicht das Wasser reichen konnte, stellte es diese im Hinblick auf seine Schönheit und die Pracht seiner Verzierungen weit in den Schatten. Dies war die Kapelle der Könige, und sie war gebaut und ausgeschmückt worden, um die Macht und den Ruhm der englischen Monarchen zur Schau zu stellen. Licht strömte durch die Buntglasfenster herein, die sich hoch oben in den Lichtgaden befanden, und fiel auf Silber, Gold und Edelsteine, mit denen der Hochaltar geschmückt war. Das Mittelschiff wurde von einer anmutigen Arkade eleganter Rundbögen und Säulen eingefasst, die reich bemalt und vergoldet waren. Der Fußboden war nicht mit den üblichen Steinfliesen gotischer Kathedralen bedeckt, sondern bestand aus einem herrlichen Mosaik himmelblauer, blutroter und elfenbeinfarbener Fliesen. Im Laufe der letzten dreißig Jahre hatten die berühmtesten englischen Maler die Wände der Kapelle mit Darstellungen des Lebens und der Frömmigkeit vergangener Generationen des englischen Königshauses ausgeschmückt und darüber hinaus mit einem Zyklus von Bibelszenen, zu dessen Betrachtung Engel die Vorhänge rafften und der Szenen aus dem Leben von heiligen Gottesstreitern darstellte.
St. Stephen’s strahlte höchste Geistigkeit aus und zugleich die grandiose Erhabenheit der englischen Könige und Prinzen.
Hier nahm Johann von Gent, Herzog von Lancaster, am Abend des Silvestertages Lady Katherine Swynford in einer stillen und den Umständen angepassten Zeremonie zu seiner dritten Frau.
Die Hochzeit war bescheiden, die Messe kurz, und Braut und Bräutigam blass und erschöpft – aber dennoch von dem Verlangen erfüllt, ihre Liebesbeziehung nun auch öffentlich zu besiegeln.
Die unmittelbaren Mitglieder ihrer Hofhaltung waren anwesend. Hal Bolingbroke, Lancaster und Katherines uneheliche Kinder – Heinrich und Johanna Beaufort –, Prinz Richard, der ausgezeichnet geruht hatte und wachsam und aufgeweckt wirkte, seine Mutter Johanna von Kent, die aufgrund ihrer Dickleibigkeit eine der wenigen war, die während der Zeremonie saßen, sechs oder sieben von Lancasters ältesten Gefolgsleuten, seine und Katherines Leibdiener – Kammerdiener, Pagen und Damen –, John Wycliffe und Thomas, der ein wenig abseits der Gesellschaft stand, um wieder einmal Augen und Ohren offen zu halten.
Während der Zeremonie warf Margaret, die in der Gruppe von Katherines Damen hinter der Braut stand, Thomas einen Blick zu. Ihr Gesichtsausdruck war nicht zu deuten, aber Thomas glaubte, Tränen in ihren Augen zu sehen, und fragte sich, ob sie wohl hoffte, eines Tages selbst einen Gemahl zu finden, der ihrer Schande ein Ende
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