Tochter Des Krieges
bereiten würde.
Er sah zu Johanna Beaufort hinüber, die gerüchteweise Rabys nächste Gemahlin werden sollte. Sie war schlicht gekleidet, doch ihre Arme und Finger waren mit erlesenen Edelsteinen geschmückt. Thomas fragte sich, was sie wohl dabei empfand, einer Zeremonie beizuwohnen, die sie, dem parlamentarischen Gesetz nach, nicht nur zu einem ehelichen Kind, sondern auch zu einer der begehrenswertesten Frauen Englands machen würde.
Und sie sollte Raby heiraten?
Die Zeremonie war schon beinahe vorüber, als Thomas hörte, wie die Tür am Ende des Mittelschiffs geöffnet und geschlossen wurde, und schnelle Schritte sich der Hochzeitsgesellschaft näherten.
Er drehte sich um.
Ein Bote, der über und über mit Staub bedeckt war, lief mit bestürzter Miene direkt auf Lancaster zu.
Thomas packte ihn am Arm, als er an ihm vorbeilaufen wollte. »Halt! «, flüsterte er. »Was immer Ihr für Neuigkeiten bringt, sie haben noch etwas Zeit! «
Der Mann zitterte, als wollte er sich aus Thomas’ Griff befreien, und nickte dann widerstrebend.
Thomas hielt seinen Arm weiterhin fest umklammert und blickte zu Lancaster und Katherine hinüber.
Der Kaplan intonierte die letzten Worte, und während Thomas zusah, wandte sich Lancaster seiner neuen Herzogin zu und küsste sie sanft.
Thomas beugte sich zu dem Boten hinüber. »Geht zu Bolingbroke«, wies er ihn an. »Überbringt ihm Eure Neuigkeiten. Er wird den besten Augenblick wählen, um sie Lancaster mitzuteilen.«
Wieder zögerte der Mann, nickte dann jedoch. Er eilte zu Bolingbroke hinüber und murmelte Entschuldigungen, während er sich an mehreren von Lancasters Gefolgsleuten vorbeidrängte, erregte dann Bolingbrokes Aufmerksamkeit und flüsterte ihm aufgeregt etwas ins Ohr.
Thomas’ Augenbrauen zogen sich zusammen. Die Nachrichten des Mannes mussten niederschmetternd sein, denn Bolingbroke erschauerte sichtlich und wurde blass.
Lancaster und Katherine wandten sich von ihrem Kaplan ab und begannen, die Segenswünsche der Umstehenden entgegenzunehmen, als Bolingbroke vortrat und seinem Vater ein Zeichen gab.
»Was ist?«, fragte Lancaster.
»Mein Fürst…« Bolingbroke zögerte, als seien die Neuigkeiten, die er ihm mitzuteilen hatte, so schmerzlich, dass er sie kaum verkünden konnte. »Mein Fürst, dieser Mann ist gerade vom Hafen von Dover hierhergeritten, wo ein Fischerboot so beklagenswerte Nachrichten überbracht hat, dass ich fürchte, dass dies einer der schwärzesten Tage der Geschichte… «
»Was für Nachrichten?«, sagte Lancaster, packte seinen Sohn an der Schulter und blickte ihm in die Augen.
»Euer Bruder Eduard, der Thronfolger, ist tot.«
Lancasters Griff verstärkte sich, und ein Zucken durchlief sein Gesicht. »Was?«, flüsterte er.
»Ein Sturm«, fuhr Hal fort, beinahe im Flüsterton, »und noch etwas, das ich in dieser Gesellschaft nicht laut aussprechen möchte, hat den schwarzen Prinzen niedergestreckt.«
Ein schwacher Schrei war zu hören und ein dumpfer Aufprall, als Johanna von Kent in Ohnmacht fiel.
Sofort eilten alle geschäftig hin und her, doch Thomas, ebenso entsetzt wie alle anderen, bemerkte, dass inmitten des Tumults ein Einziger ruhig und gefasst blieb.
Richard.
Im selben Moment, als Thomas dies auffiel, bemerkte es auch Lancaster. Er wandte sich Richard zu und sank vor dem jungen Mann auf ein Knie.
»Majestät«, sagte er.
In Richards Augen flammte Erregung auf… und noch etwas anderes.
Triumph, wurde Thomas bewusst, und plötzlich durchströmte ihn eine Angst, wie er sie noch nie zuvor verspürt hatte.
Bald würden England und die Dämonen einen neuen König krönen… und es würde ein und derselbe Mann sein.
Thomas drehte sich um und erblickte Wycliffe.
Er lächelte ebenso siegessicher wie Richard.
Kapitel Zehn
Komplet am Fest des heiligen Silvester
Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
(Donnerstagnacht, 30. Dezember 1378)
– II –
Im Palast von Westminster herrschte Stille. Den nahenden Neujahrsfeierlichkeiten sah man aufgrund des Todes Eduard III. und seines Erben, des schwarzen Prinzen, mit gemischten Gefühlen entgegen. Eduard hatte mehr als fünfzig Jahre lang auf dem Thron gesessen und, so beliebt er auch gewesen war, die meisten Leute hatten sich doch schon seit geraumer Zeit damit abgefunden, dass er nicht mehr lange unter den Lebenden weilen würde. Doch alle hatten geglaubt, dass der schwarze Prinz, ein weiterer Eduard, nach Eduard III. regieren würde. Der
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