Tochter Des Krieges
verhüllten Särgen zu, verneigten und bekreuzigten sich und gingen das große Mittelschiff der Abtei hinunter, während ihre Schritte durch das Gebäude hallten und die Spinnweben unter den Balken des gewölbten Daches zum Schwingen brachten.
Raby schritt Margaret voraus, und als er die Abtei verlassen hatte, schlüpfte sie in die kleine Kapelle zurück.
»Bist du nun zufrieden?«, zischte sie Bolingbroke zu. Sie hatte Tränen in den Augen und rieb sich das gerötete Handgelenk. »Ich habe mich für deine Ziele erniedrigt! «
»Unsere Ziele, meine liebste Margaret«, sagte Bolingbroke leise. »Unsere Ziele.«
Kapitel Dreizehn
Das Fest des heiligen Valentin
Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
(Sonntag, 14. Februar 1379)
Der Norden Lincolnshires war eine unwirtliche und düstere Gegend und im Spätwinter mehr noch als sonst. Ein beinahe arktischer Wind wehte über die Mündung des Humber, pfiff zwischen den niedrigen Hügeln unterhalb Bartons hindurch, über das kleine Dorf Saxbye hinweg und gesellte dem Hunger des späten Februars noch Eiseskälte hinzu. Die Fülle der Gaben zur Weihnachtszeit war längst vorbei, und die meisten Familien mussten mit ein paar Handvoll halbverrottetem Getreide und Hülsenfrüchten auskommen, bis das erste Frühlingsgemüse geerntet werden konnte. Selbst ein geschmortes Kaninchen oder ein Hase, die hin und wieder auf dem Speisezettel standen, waren kaum die Mühe des Einfangens wert – unter dem spärlichen, verfilzten Winterfell verbargen sich nur ein dürres Gerippe und leere Eingeweide. In der alten Sprache wurde der Februar als Hungermonat bezeichnet, und im Jahreszeitenkalender der Bauern war er, abgesehen vom Hunger, vor allem für zwei Dinge bekannt: die Geburt und das beginnende Pflügen für das Frühjahr.
Viele Bauersfrauen legten die Geburt ihrer Kinder in den Februar, damit sie spätestens im Mai wieder auf den Feldern arbeiten konnten. Mai bis Oktober waren die arbeitsreichsten Monate des Jahres und nur wenige Bauersfrauen konnten es sich erlauben, während der Sommermonate schwanger zu sein. Deshalb kam es oft zu Abbrüchen. Die Reisegesellschaft, die sich langsam ihren Weg durch Cambridgeshire und den Süden Lincolnshires bahnte, hatte sich schon an den Anblick der dürren, ausgezehrten Frauen mit den winzigen, schreienden Säuglingen im Arm gewöhnt. Auch den Anblick von frisch aufgeschütteter Erde auf den Friedhöfen der Dörfer kannten sie zur Genüge, wenn Mütter und Säuglinge den Qualen der Geburt oder dem Hunger zum Opfer gefallen waren.
So tapfer wie ihre Frauen im Kindbett kämpften – und oft starben –, so tapfer verließen die Bauern die Wärme ihrer Feuerstellen, um auf den gefrorenen Feldern mit schwergängigen Pflügen und störrischen Ochsen zu arbeiten. Es war jetzt Zeit, die Erde umzupflügen, bevor sie auftaute und sich in Schlamm verwandelte, der nicht beackert werden konnte. Dung musste aus den Winterställen herbeigeschafft und in Vorbereitung auf das Ausbringen der Frühjahrssaat auf den Feldern verteilt werden.
Was eine fröhliche Zeit des Jahres hätte sein sollen – die Zeit der Geburt und des ersten Betretens der Felder –, war durch die eisige Kälte und den Hunger von Elend und Verzweiflung gekennzeichnet.
Zumindest waren nicht nur die Felder gefroren, sondern auch die Straßen, und dadurch kamen die Pferde besser voran. Dennoch war den Reitern beinahe ebenso trübselig zumute wie den Bauern, die in den Hütten und auf den Feldern um das schiere Überleben kämpften. Kein Umhang oder Mantel konnte die grausame Kälte abhalten, und in dem gefrorenen Land gab es nichts, das einen erfreulichen Anblick geboten hätte.
Nur die Schritte ihrer Reittiere waren zu hören, die sie gehörig durchschüttelten, der nicht nachlassende Wind, der ihnen bis auf die Haut drang, ansonsten herrschte eisiges Schweigen zwischen ihnen.
Eduard III. und sein Sohn, der schwarze Prinz, waren in der zweiten Januarwoche in der Abtei von Westminster zu Grabe getragen worden. Die Begräbniszeremonien, ob nun die offizielle Trauerfeier in Westminster oder die inoffizielle Trauer, die ganz London erfasst hatte, waren genauso freudlos und kalt gewesen wie die Jahreszeit.
Richards Krönung würde nicht vor Mai stattfinden. England brauchte Zeit, um die beiden geliebten Fürsten zu betrauern, und die Verwaltung, um sich auf einen neuen König vorzubereiten. Neue Siegel mussten hergestellt, neue Münzen geprägt werden. Man würde
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