Tochter Des Krieges
Erinnerungen weckte?
Was hatten die Engel ihm angetan?
Gütiger Heiland, hilf mir, betete sie im Geiste.
Dann, nach einem Augenblick: Gütiger Heiland, bewahre mich davor, mich allzu sehr in ihn zu verlieben, denn dann bin ich verloren.
Kapitel Zwölf
Der Montag innerhalb der Oktave
der Beschneidung des Herrn
Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
(3. Januar 1379)
Ralph, Baron von Raby, stand im kühlen Inneren der Abtei von Westminster, den Blick auf die beiden Särge vor dem Hochaltar gerichtet. Beide waren von schwarzem Tuch verhüllt und wurden von Rittern bewacht, deren Rüstungen mit einer Schicht grauer Asche bedeckt waren.
Raby konnte kaum begreifen, was er da sah. Selbst jetzt, nachdem er so viele Tage damit zugebracht hatte, die Leiche des schwarzen Prinzen durch Frankreich und dann über das Meer nach England zu begleiten, fiel es ihm schwer, zu glauben, dass der Prinz wirklich tot war.
Und ebenso sein Vater.
Und beide waren auf so ähnliche Weise eines unnatürlichen Todes gestorben.
Raby bekreuzigte sich, murmelte ein Gebet und wünschte sich, dass es ihm Trost spendete, doch er bezweifelte, dass ihn jemals wieder etwas auf dieser öden, trübseligen Welt trösten konnte.
Am nächsten Tag würden der König und sein Thronfolger begraben werden, und irgendwie würde das Leben in England trotzdem weitergehen. Das Land hatte einen neuen König, einen unerfahrenen Jüngling, der erst in etwa zehn Jahren hätte den Thron besteigen sollen.
Zehn Jahre, in denen er hätte Erfahrungen sammeln, heranreifen können… und auf seine Stärke und Aufrichtigkeit hätte geprüft werden können.
Nun war es zu spät. Viel zu spät.
Es befanden sich noch zwei andere Menschen in einer der Seitenkapellen der Abtei und unterhielten sich mit leiser Stimme. Sie waren außerhalb von Rabys Sichtweite.
»Du kannst mich nicht darum bitten, das zu tun«, sagte Margaret. Ihr Gesicht, das auch sonst schon blass war, verlor durch ihre Verzweiflung und das weiche, weiße Leinentuch, das sie aus Ehrerbietung vor den Toten auf dem Kopf trug, noch mehr an Farbe.
»Liebe Meg, ich muss es tun. Es tut mir leid.«
»Ich werde mich zur Närrin machen. Schlimmer noch, ich werde wie eine jammernde Hure dastehen.«
Hal Bolingbroke antwortete nicht, sondern küsste sie sanft auf Stirn, Wange und dann ganz kurz auf den Mund.
»Ich empfinde zu viel Achtung vor Raby«, fuhr Margaret fort und wandte das Gesicht ab, sodass Hal sie nicht mehr küssen konnte. »Und vor Thomas. Gütiger Himmel! Ich verfüge über zu viel Selbstachtung, um zu tun, was du von mir verlangst!«
»Sie müssen aufgerüttelt werden. Sie alle. Lancaster, Raby… Thomas.«
»Wenn Thomas herausfindet, dass ich ihn hintergangen habe…«, sie warf Bolingbroke einen düsteren Blick zu, »… dass wir alle ihn hintergangen haben, werden wir ihn für immer verlieren. Und uns ebenso.«
»Wir sind schon verloren, wenn du jetzt nicht tust, was ich dir sage. Meg, du musst Raby unter Druck setzen. Nur ein wenig. Nur so viel, dass er und Lancaster dankbar für jede Lösung deines…«, er legte eine Hand auf ihren Bauch, »Dilemmas sein werden.« Dann veränderte sich Bolingbrokes Stimme, verlor ihren liebenswürdigen Ton und wurde härter. »Du hast keine Einwände erhoben, als ich dich letzte Nacht gebeten habe, Thomas’ Gemach aufzusuchen. Wie ich gehört habe…«, er zögerte und legte besondere Betonung auf seine nächsten Worte, »… war es ein stürmischer Erfolg. Bring zu Ende, was du in der letzten Nacht begonnen hast, Meg. Wenn du Thomas willst… dann bring zu Ende, was du begonnen hast.«
Sie senkte den Kopf, ohne etwas zu sagen, aber er wusste, dass sie tun würde, was er von ihr verlangte.
Margaret näherte sich Raby leise von hinten, wagte kaum zu atmen und fragte sich, ob sie den Mut haben würde, ihr Vorhaben durchzuführen. »Mein Fürst, bitte verzeiht.«
Raby fuhr zusammen, sein Gesicht zeigte Überraschung und Ärger über die Störung seiner Andacht.
Er wandte den Kopf, sah, wer hinter ihm stand, und drehte Margaret dann wieder den Rücken zu. »Lass mich in Frieden.«
»Herr… ich muss mit Euch sprechen.«
»Verflucht, Margaret!«, zischte Raby. »Wir haben uns nichts mehr zu sagen! Du bist sicher in England angekommen und zwischen uns bestehen keine Verpflichtungen mehr. Unser Handel ist abgeschlossen.«
»Es besteht durchaus eine Verpflichtung zwischen uns!« Margaret legte beide Hände auf ihren
Weitere Kostenlose Bücher