Tochter Des Krieges
Thomas.
»Du bist ein geborener Neville, nicht wahr? Hat dich dein Onkel diesen Satz gelehrt, als du noch ein kleines Kind warst?«
Wieder durchzuckten ihn Schuldgefühle, und er musste die Erinnerung an Alice zur Seite schieben, die er ebenfalls zurückgewiesen hatte. Er hob den Kopf und rang sich ein Lächeln ab, als er den Rivers zum Abschied zuwinkte. »Guten Tag, Sir Egdon und Lady Jacquetta. Habt Dank für Eure Gastfreundschaft.«
Und dann gab er Wat Tyler, dem Anführer seiner Eskorte, ein Zeichen und ritt ohne ein weiteres Wort vom Hof der Rivers.
Kapitel Vierzehn
Die Non am Fest des heiligen Matthias
Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
(Mittwochmittag, 24. Februar 1379)
– I –
Thomas und seine Eskorte brauchten etwa zehn Tage, um das Bramhamer Moor zu erreichen. Zwei Tage, nachdem sie Saxbye verlassen hatten, zog ein heftiger Sturm herauf, und sie waren gezwungen, etwa drei Tage lang im Gästehaus eines Klosters Zuflucht zu suchen. Doch als der Sturm vorbei war, war das Wetter klar, wenn auch frostig, und die Gesellschaft kam gut voran.
In den ersten ein oder zwei Wochen, nachdem sie London verlassen hatten, hatte Thomas Wat Tylers Gegenwart beunruhigend gefunden. Er wusste nicht recht, was er von dem Mann halten sollte und ob er ihm vertrauen konnte. In Thomas’ Kindheit und früher Jugend, als er wegen seiner engen Freundschaft mit Bolingbroke so viel Zeit bei den Lancasters verbracht hatte, war Wat Tyler ein vertrautes Gesicht gewesen. Solange Thomas und Bolingbroke denken konnten, hatte er in Lancasters Diensten gestanden, obwohl er nur etwa sechs oder sieben Jahre älter war als sie, und er gehörte zu Lancasters zuverlässigsten Männern.
Aus Pflichtgefühl seinem Herzog gegenüber hatte Wat die Jungen in der Kriegskunst unterwiesen. Was Thomas über den Nahkampf mit Schwert und Messer wusste, hatte er größtenteils von Wat gelernt.
Und als Bolingbroke und Thomas zum ersten Mal selbst auf das Schlachtfeld geritten waren, hatte Wat sie begleitet, bärbeißig und beruhigend inmitten des Blutvergießens, laut und fröhlich beim Gelage, wenn die Schlacht vorbei war.
Aber der Wat, dem Thomas in Rom begegnet war und mit dem er sich im Verlauf der letzten Monate mehrfach unterhalten hatte, schien sich irgendwie verändert zu haben, und das lag nicht nur an den Ansichten, die er vertrat, oder der ketzerischen Gesellschaft, die er pflegte. Doch Thomas war sich nicht sicher, ob Wat sich verändert hatte oder ob er selbst ein anderer geworden war. Bevor er London verlassen hatte, hätte Thomas bei Gott geschworen, dass es Wat war, der anders geworden war.
Aber nun…
Seit Thomas sein Ordensgewand abgelegt hatte und wieder die Kleidung eines Adligen trug, schienen Wat und er die lockere Freundschaft, die einst zwischen ihnen bestanden hatte, wieder aufgenommen zu haben. Wenn Wat Ansichten äußerte, die der Kirche oder den gesellschaftlichen Verhältnissen gegenüber kritisch waren, dann waren dies nur die schlecht gewählten Worte eines ungehobelten und ungebildeten Kämpfers.
Thomas ertappte sich sogar ein- oder zweimal dabei, wie er nickte, als Wat über die Last der Steuern sprach, die der einfache Mann zu tragen hatte.
Vielleicht war es die Nordluft, grübelte Thomas, die ihn Wat gegenüber weniger argwöhnisch machte. Jeder Tagesritt brachte ihn seiner heimatlichen Grafschaft näher… und vielleicht sogar dem Mann, der er einmal gewesen war.
Möglicherweise war es ein Fehler gewesen, sich Lancasters Anordnung, sein Habit abzulegen, so einfach zu fügen. Es war vermutlich ein weiterer, ziemlich großer Schritt in der Entwicklung, auf die Margaret ihn hingewiesen hatte: Obwohl Thomas immer noch ein Mann Gottes war, wurde er mit jedem Tag weniger ein Mann der Kirche.
Thomas rechtfertigte das Ablegen seiner kirchlichen Gewänder, die Missachtung seiner Gelübde und die Nacht, die er mit Margaret verbracht hatte, damit, dass er nun außerhalb der Gerichtsbarkeit der Kirche stand. Er war ein Gottesstreiter und handelte nur noch auf Weisung und Befehl des heiligen Michael höchstselbst. Du bist Gottes Auserwählter, Thomas. Du musst nur tun, was deine Aufgabe von dir verlangt. Wynkyn de Worde war gekommen und gegangen, wie es ihm beliebte, und so musste auch Thomas es halten. Und wenn das bedeutete, der Autorität der Kirche zuwiderzuhandeln, weltliche Gewänder anzulegen, das Gelübde gegenüber einer korrupten Institution zu brechen – hatte ihm der heilige
Weitere Kostenlose Bücher