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Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
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sie dieses Mal verlieren wird. Doch er muss sich eingestehen, dass es unmöglich ist, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen. Sie ist meine Tochter, meine Schwester, meine Mutter, sagte er der Delegation. Als sie ihn fragten, ob etwas Unzüchtiges zwischen ihnen sei oder jemals gewesen ist, hatte er ohne Kalamitäten mit Nein antworten können. Damals, als Hildegard ihn auswählte, war es schwer gewesen zu vergessen, dass sie eine Frau und er ein Mann war. Als sie sagte, ihre Seelen hingen zusammen, war er erschrocken. Jetzt weiß er, dass sie recht hat. Und die Seele ist getrennt vom Fleisch.
    Der Prior setzte ihm mehrere Male zu. Beim ersten Mal fragte er, ob er eine Vorstellung davon habe, was die Gesandten des Papstes mit Ketzern anstellten. Er wartete Volmars Antwort nicht ab, ließ ihn einfach wie versteinert im Refektorium zurück. Beim zweiten Mal war die Frage die gleiche, aber da blieb er stehen und wartete auf Volmars Antwort.
    »Was ist die Strafe für Ketzerei?«, wiederholte der Prior, und sein Gesicht verriet keinerlei Regung.
    Volmar musste dastehen wie ein gescholtener kleiner Junge, seine Wangen brannten vor Scham.
    »Das weiß ich ebenso gut wie du, Prior«, wich er aus, aber der Prior schüttelte den Kopf.
    »Wirklich?«, fragte er spöttisch, »Warum bist du Hildegard dann auf Schritt und Tritt nachgelaufen wie ein Hund?«
    Volmar unterließ es, zu antworten. Er dachte nur daran, fortzukommen, aber der Prior war noch nicht fertig mit ihm.
    »Exkommunikation«, sagte der Prior langsam, als sei Volmar schwerhörig. »Du wirst verbannt, der vollständige Ausschluss aus der Kirche und von ihren Sakramenten ist die Folge, das Verbot für fromme Menschen, mit dem Verbannten Umgang zu haben.« Er schwieg und wartete auf Volmars Reaktion. Als Volmar stumm blieb, fuhr er selbst fort.
    »Und werden die Sünden nicht innerhalb eines Jahres vergeben, wird man öffentlich hingerichtet.« Er zuckte mit den Schultern. »Welcher Tod wartet dann, Volmar? Ich kann es an der Farbe in deinem Gesicht sehen, dass du die Antwort kennst, aber lass sie mich dennoch laut aussprechen: die ewige Verdammnis im Höllenschlund.« Er nestelte an dem Kreuz, das er an einer Kette um den Hals trug.
    Volmar blieb mit gesenktem Kopf stehen, außerstande, etwas zu sagen.
    »Aber du, Volmar«, fuhr der Prior mit milderer Stimme fort, »kannst immer noch errettet werden.«
    Volmar blickte auf, blitzartig und misstrauisch. In der Stimme des Priors war etwas, das ihm nicht gefiel.
    »Wenn du von Hildegard abrückst, wenn du erklärst, sie habe dich verleitet«, flüsterte der Prior, »dann könnten die Männer des Papstes verstehen, dass du nicht du selbst warst. Wenn sowohl der Abt als auch ich bezeugen, dass du für gewöhnlich die Frömmigkeit selbst bist, gibt es eine gute Chance, dass dir deine Sünden vergeben werden. Dann gilt es nur, sich lange genug am Leben zu halten.«
    Volmar konnte sich nicht länger beherrschen. »Du sprichst,als sei das Urteil bereits gefällt, obwohl nichts entschieden ist«, fuhr er auf.
    »Ah, ja, die Delegation«, lächelte der Prior. »Es freut mich wirklich, dass sie die strengsten Herren der Kirche geschickt haben, sodass wir dieser Sache hier auf den Grund gehen können und keinerlei Nachgiebigkeit erwarten müssen. Volmar, du bist nicht dumm. Ich möchte dir nur helfen, also nimm meinen Rat an. Rücke von Hildegard ab, bekenne deine Sünden und büße. Tust du das nicht, wirst du ihr in ihren Fußstapfen direkt in die Hölle folgen. Ich verspreche dir, dass ihr Ungehorsam und ihre Ketzerei nicht vergeben werden. Und obwohl sie auf der Suche nach Obdach umherirren und dankbar jedes Lager annehmen wird, das ihr der Wald und die schmutzigen Scheunen der Bauern bieten, werden ihre letzten Jahre ein milder Vorgeschmack auf das sein, was sie nach ihrem Tod erwartet.«
    »Du sprichst, als habest du an der Seite des Herrn gesessen«, antwortete Volmar wütend, »aber du bist ein Richter ohne Ermächtigung.«
    »Du willst dich mit deinem Prior überwerfen? Du willst freiwillig von dem Gift trinken, das Hildegard dir reicht? Dann bist du bereits verloren.« Der Prior faltete die Hände vor der Brust und nickte ruhig.
    Volmar konnte es nicht länger ertragen. Er machte auf dem Absatz kehrt und musste sich beherrschen, nicht zu laufen.
    Das ist jetzt mehrere Wochen her, aber die Angst sitzt immer noch in ihm, als der Abt ihn nach der Kapitelversammlung zur Seite nimmt. Kuno fragt höflich nach Hildegards

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