Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Tochter des Lichts: Ein Hildegard von Bingen-Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Lise Marstrand-Jørgensen
Vom Netzwerk:
dabei ertappt hat, die Unwahrheit zu sagen«, fährt er fort.
    »Unwahrheit? Das hier überschreitet jede Grenze«, faucht der Prior, »es geht nicht um Wahrheit oder Lüge, es geht darum, inwieweit wir die Saat des Bösen an unserem Busen nähren, die Inkarnation des Satans selbst. Volmar? Kuno? Seid ihr blind und taub? Versteht ihr nicht, dass es nicht nur um Hildegard geht, sondern um die Zukunft des ganzen Klosters? Seht ihr nicht, dass sie uns allesamt mitreißt in ihrem Fall? So geht das Böse vor, so sind die verschlagensten Kräfte der Finsternis. Die Schlange hört niemals auf, sich die Schwachheit der Frauzu Nutze zu machen, um uns in den Hinterhalt zu locken, der den Weg in unser Verderben weisen wird.«
    Volmar steht mit einem Ruck auf. Hildegard hat ihn gebeten, nichts zu sagen, aber jetzt kann er sich nur noch mit Mühe zurückhalten. Hildegard sieht ihn streng an und hebt warnend die Hand. Er streicht sich mit der Hand durch den Bart.
    »Diesen Standpunkt teile ich nicht«, sagt der Abt, »und so solltest du nicht sprechen.«
    »Ich spreche nur aus, was andere bereits denken«, prescht der Prior weiter vor. Er wendet das Gesicht demonstrativ von den illustrierten Bögen ab. »Es geht an, dass du meinst, wir brauchen Hildegard, um den Reichtum der jungen Adelsfrauen an uns zu ziehen. Es kann auch angehen, dass du meinst, ein wenig Aberglaube und Magie ziehen Pilger und deren Mittel an und sind daher mehr von Nutzen, als dass sie Schaden anrichten. Aber du vergisst den Teufel in dieser Rechnung!« Er hat die Wut unter Kontrolle bekommen und spricht scharf und kalt.
    »Ich traue meinen eigenen Ohren nicht«, sagt der Abt und fährt hoch. »Ist es mein eigener Prior, der so spricht?«
    »Er hat nicht mit allem unrecht, was er sagt«, flüstert Hildegard. »Der Teufel verlockt schwache Seelen zu aller Art der Sünde. Er bietet sie als billig und unschädlich feil. Er bildet uns ein, dass wir sie brauchen und nicht ohne sie leben können. Das gilt irdischem Gold und das gilt Sünden wie Hochmut und Eitelkeit. Und der Prior hat recht. Es ist an der Zeit, ein für alle Mal den Zweifel hinwegzufegen und eine Fackel zu entzünden, die so stark ist, dass sie jeden Winkel meiner Seele erleuchten und enthüllen kann, ein für alle Mal herauszufinden, ob es Eitelkeit oder Frömmigkeit ist, die bewirkt, dass ich nicht stillschweigen kann.«
    »Sie ist selbst im Zweifel!«, ruft der Prior triumphierend aus.»Du hast es ebenso gut gehört wie ich.« Sein Zeigefinger ist dicht vor dem Gesicht des Abts.
    »Nein, ich bin nicht im Zweifel. Da ist nichts, was ich zu verbergen hätte, das fühle ich. Ich weiß aus meinem ganzen Herzen, dass Gott wünscht, seine Worte mögen durch die Welt gehen wie eine alles verzehrende Flamme. Und dennoch«, sagt sie und setzt sich, »dennoch weiß ich so gut wie kaum ein anderer, dass die Schlange zu ihrer Zeit das Weib auswählte, um sich über sie zu werfen, da ihre Natur schwächer ist als die des Mannes. Ich weiß, dass die Sündhaftigkeit des Weibes größer ist als alle andere Sünde in der Welt.« Sie schließt die Augen. »Weib, dein Name ist Eva, du verlocktest Adam, den der Satan nicht verlocken konnte, und deshalb bist du des Satans Pforte«, flüstert sie.
    Volmar sieht aus dem Fenster. Er versteht nicht, worauf Hildegard hinauswill und meint, sie stellt sich schlechter dar, als sie es nötig hat.
    »Das ist wahr«, sagt der Prior ruhig. »Und deshalb können wir unter keinen Umständen zulassen …«
    »Darum muss es ein für alle Mal untersucht werden«, unterbricht ihn der Abt. »Was schlägst du vor, sollen wir tun?«, fragt er und sieht den Prior direkt an.
    »Wir müssen an den Erzbischof in Mainz schreiben«, sagt der Prior und betrachtet Hildegard. So wie er es sieht, müsste sie vor Angst zittern, aber sie sitzt aufrecht auf dem Stuhl, anscheinend ungerührt. »Er kennt unser Kloster und hat unsere Kirche geweiht, als sie fertig war. Er benutzt jede Gelegenheit, gegen Ketzer und Ungläubige zu predigen, er weiß sehr wohl zwischen Gott und Teufel zu unterscheiden. Er wird ohne Zweifel wissen, was zu tun das Richtige ist.«
    »Ich hatte gehofft, ihr würdet das sagen«, flüstert Hildegardund lächelt, »und um euch meine Aufrichtigkeit zu zeigen, habe ich selbst einen Schritt in diese Richtung unternommen«, fügt sie hinzu. Ihre Augen strahlen vor Freude, und der Prior meint, ein schelmisches Funkeln darin auszumachen.
    »Vor vierzig Tagen schrieb ich an Bernard von

Weitere Kostenlose Bücher