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Tochter des Schweigens

Titel: Tochter des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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Ehemannes Karriere. Ehe hieß Aufgabe der Freiheit, ein Aufwand von Zärtlichkeit, die sie kaum je empfand, und Forderungen an einen Körper, den Carlo nie hatte wecken können. Ehe hieß die Zügelung eines Geistes, der zu eigensinnig und zu lebhaft war, um seiner Melancholie und seinem unsicheren Temperament zu entsprechen. Ehe hieß Rom und römische Selbstgerechtigkeit – Dinners und Cocktailparties für die, die ihrem Vater und seinem halbflüggen Schwiegersohn reizvolle Fälle übergaben.
    Liebe, eingebettet in einen Sommerurlaub in der Toskana, hieß Basilio Lazzaro ; der dunkle leidenschaftliche Junggeselle, der kein Geheimnis aus seiner Vorliebe für junge Ehefrauen machte. Liebe war ein Gegenmittel gegen Langeweile, eine Bestätigung der Unabhängigkeit. Sie war ein herrlicher Spaß, an dem auch ein verständnisvoller Vater seine Freude hatte, ein Stachel, mit dem man einen zu jungen Gatten zur Männlichkeit treiben konnte.
    Mit dreißig Jahren war Valeria Rienzi bereit, Gesundheit, gutes Aussehen, keine Kinder, einen gefügigen Mann, einen drängenden Liebhaber und einen Vater, der alles sah, alles verstand und alles mit der Befriedigung des Zynikers verzieh, für Segnungen zu halten.
    Es waren angenehme Gedanken, die sie in der zwielichtigen, wohligen Wärme ihres Zimmers beschäftigten, wo gemalte Pfauen und Dryaden über ihr an der Decke schwebten. Sie hörte Musik, deren Traurigkeit sie nicht im geringsten anrührte, und vor ihr lag das Versprechen eines ganzen Sommers. Sollte Basilio jemals zu anspruchsvoll werden, dann war da immer noch der Gast, Peter Landon. Noch hatte sie sich nicht mit ihm beschäftigt, doch war reichlich Zeit, den Mann aus der Neuen Welt in die trickreichen sardonischen Spiele der Alten zu verwickeln.
    Und doch – und doch. Eine dunkle Unruhe hatte begonnen, sich ihrer unter der Oberfläche zu bemächtigen. Veränderungen gingen in ihr vor, die sie noch nicht völlig verstand. Ein Gefühl der Leere, ein Wunsch nach Führung, ein Drang nach neuen, leidenschaftlichen Begegnungen, unbestimmte Furcht und gelegentliches schmerzhaftes Bedauern. Einst hatte die Einigkeit mit ihrem Vater Vergebung selbst ihrer wildesten Torheiten bedeutet. Jetzt war es keine Vergebung mehr, sondern eher eine Art zögernder Duldung, als wäre er weniger von ihr als von sich selber enttäuscht. Er machte kein Geheimnis daraus, daß er wünschte, sie würde ruhig werden und eine Familie gründen. Das Problem war nur, daß er noch immer keinen Respekt vor Carlo hatte und ihr nicht helfen konnte, den eigenen wiederherzustellen. Was er verlangte, war eine neue Verschwörung: die Verführung eines Ehemannes, der durch die Gleichgültigkeit seiner Frau selber gleichgültig geworden war – durch eine lieblose Gemeinschaft, die nur dazu da war, einem alten Epikureer Liebe zu bescheren; ihm, Ascolini, der sein Leben lang vorgegeben hatte, sie zu verachten.
    Es war zuviel für zuwenig. Zuwenig für sie, zuviel für ihn. Und für Carlo eine Täuschung zuviel.
    Einst hatte er um ihre Liebe gebettelt und um Kinder, die ihm Erfüllung schienen. Einst war er bereit, die letzten Überreste seines Stolzes zu opfern für einen Kuß und einen Augenblick der Gemeinsamkeit. Doch die Zeit war vorüber. In diesen letzten Monaten war er älter geworden und kälter. Unabhängiger und mehr von eigenen Plänen in Anspruch genommen. Einen Teil davon hatte er ihr verraten.
    Er war entschlossen, aus Ascolinis Praxis auszuscheiden und eine eigene zu gründen. Dann würde er ihr ein eigenes Heim bieten können, einen Haushalt, von dem ihres Vaters getrennt. Und dann …?
    Es war dieses Dann, das sie beunruhigte – dann, wenn sie auf sich selber gestellt sein würde, ohne Stütze, ohne Vergebung, dem Urteil eines betrogenen Gatten ausgeliefert und dem Zwang ihrer eigenen wirren Sehnsüchte.
    Das war das eigentliche Problem. Was ersehnte man so sehr, daß der Wunsch zum Schmerz werden konnte? Was brauchte man so nötig, daß man bereit war, alles andere dafür zu opfern? Vor vierundzwanzig Stunden hatte sie die gleiche Frage von Basilio Lazzaros Lippen gehört. Von Lippen, denen sie eine solche Frage nie zugetraut hatte.
    Vollständig angezogen, mit Handschuhen und Tasche, hatte sie in seiner Schlafzimmertür gestanden und zugesehen, wie er sein Hemd über seiner mächtigen braunen Brust zuknöpfte. Sie hatte die schlaffe, befriedigte Leichtigkeit seiner Bewegung bemerkt und seine plötzliche Gleichgültigkeit ihr gegenüber. Und

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