Tod am Laacher See
näher darüber
nachgrübeln konnte, fiel ihm die Lösung seines Problems ein.
»Schon gut.« Er überschlug die Strecke. Kronenburg war zwar eine
Perle des Kreises Euskirchen, lag aber selbst für Eifeler Verhältnisse am Arsch
der Welt. Über Mechernich auf die Autobahn, die A 1 runter bis zur
Abfahrt Blankenheim, weiter über die B 51 an Blankenheim und Dahlem
vorbei, die letzten Kilometer über die B 421. Geschätzte vierzig
Kilometer. »Keine Stunde, dann bin ich bei dir«, teilte er Welscher mit und
legte auf.
»Jungs«, rief er, »ich muss leider weg.«
Hans schmunzelte. »Der Heilige Stuhl?«
»Du hast gelauscht«, klagte Fischbach ihn an, konnte sich aber ein
Lächeln nicht verkneifen.
»War ja nicht zu überhören.«
»Kein Wort zu niemandem …«, warnte Fischbach und hob drohend den
Zeigefinger. »Gilt auch für euch«, fügte er in Richtung von Dödenfeld und
Lorscheidt hinzu, steckte dann den Zeigefinger in die Wählscheibe und rief im
»Vatikan« an, um den Heiligen Vater um eine Mitfahrgelegenheit zu bitten.
Ein angenehm warmer Wind empfing Fischbach, als er um die Ecke
bog und den Kirchberg hinaufging. Die kalte Zeit schien vorbei zu sein, doch er
traute den Frühlingsvorboten noch nicht ganz. Diesmal war es ein langer und heftiger
Winter gewesen, selbst für die Eifeler, die ja einiges gewohnt waren. Der
Schnee war inzwischen verschwunden und hatte matschige braune Wiesen
hinterlassen, doch die Eisheiligen standen noch bevor. Erfahrungsgemäß sackten
die Temperaturen in diesen Tagen erneut in den Keller. Fischbach nahm sich vor,
darauf zu achten, dass Sigrid seine langen Unterhosen nicht allzu weit in die
hintersten Ecken des Kleiderschrankes verbannte.
Links vor ihm reckte sich der Turm der St. Severinus Kirche in
den klaren Nachthimmel. Die Ziegelsteine glänzten feucht. Fischbach schluckte
schwer. Der Anblick der Kirche rief in ihm regelmäßig schlimme Erinnerungen
wach. Er, in der ersten Reihe auf der Kirchenbank, ohne Tränen, da er bereits
so viele vergossen hatte. Vor sich die beiden Särge. Trauermusik, Trauerrede,
Trauergäste, der Gang zum Friedhof, die auf das Holz herabprasselnde Erde. Der
Grabstein, auf dem noch Platz für seinen Namen war.
In den Monaten danach hatte er alles darangesetzt, diese Lücke auf
dem Stein zu füllen. Regelmäßig zu viel Alkohol und andere Drogen konsumiert,
gerne auch in Kombination. Erst als Sigrid in seine Welt eingedrungen war, war
er von der Schwelle zum Tod zurückgekehrt in ein zufriedenes Leben. Inzwischen
hatte er gelernt, mit der Vergangenheit umzugehen. Doch er hatte es bisher
nicht übers Herz gebracht, die Kirche ein weiteres Mal zu betreten.
Er spürte ein nervöses Grummeln in seiner Magengrube. In Kronenburg
würden die Angehörigen des Mordopfers nun das Gleiche durchmachen müssen wie er
vor Jahren hier in Euskirchen. Wurde jemand so unerwartet abgerufen, war das
immer ein besonderer Schock, der einem den Boden unter den Füßen wegziehen
konnte.
Auf Höhe des Pfarrhauses, von den K-Heroes scherzhaft als »Vatikan«
bezeichnet, blieb er stehen. Er stemmte die Arme in die Hüften und keuchte. Er
wuchtete definitiv zu viel Körpergewicht auf die Waage. Seine geliebte K-Heroes-Lederjacke
spannte bedenklich über seinem Bauch. Er musste abnehmen, das war ihm klar. Oft
genug hatte er in den letzten Monaten damit begonnen. Doch Sigrid torpedierte
dieses Unterfangen kontinuierlich. Selbst etwas rundlich, störte sie sich nicht
an seinen Pfunden und liebte es, ihn mit kulinarischen Köstlichkeiten zu
verwöhnen.
Fischbach schmunzelte. Eigentlich konnte er sich ja glücklich
schätzen mit einer Frau an der Seite, die keinen gestählten Männerkörper
erwartete. Er kannte Ehen, die an Bierbäuchen gescheitert waren. Doch leider
fühlte er selbst sich in seinem Körper unwohl.
Die Haustür des Pfarrhauses wurde geöffnet, und ein langer, dürrer
Mann trat heraus. Seine riesige, knorrige Nase warf im Licht der
Außenbeleuchtung einen markanten Schatten auf das Pflaster der Einfahrt.
»Willst du hier Wurzeln schlagen? Ich denke, du hast es eilig.
Arbeit und Fleiß, das sind die Flügel, sie führen über Strom und Hügel.«
Pfarrer Klaus Levknecht, seines Zeichens ebenfalls Mitglied der K-Heroes,
warf gerne mit Aphorismen um sich.
»Nu dohn ens nett esu hüü, ömme schön peu à peu«, sagte Fischbach
und lachte. Er gab Levknecht die
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