Tod am Laacher See
Die Kirche war bis auf den letzten
Platz besetzt. Sogar längs der Wände und hinter den Bänken standen die Gäste in
Zweierreihen. Veronika war beliebt. Sie verstand es, sich Freunde zu machen.
Erleichtert stellte Maria fest, dass niemand sonst ihr Wimmern
bemerkt hatte.
Alle verfolgten gespannt, wie Veronika ihm den Ring aufsteckte.
»Trage diesen Ring als Zeichen meiner Liebe und Treue. Im Namen des Vaters und
des Sohnes und des Heiligen Geistes.«
In Marias Ohren rauschte es. Sie verstand nichts mehr, sah nur, dass
die Lippen des Pfarrers sich bewegten.
Es war besiegelt, vor ihren Augen, vor den Hochzeitsgästen und vor
Gott.
Mit zitternden Händen riss sie ihren Schal vom Hals und taumelte
einen Schritt vorwärts. Jetzt schien sich die Kirche zu bewegen, sie schwankte
wie ein Boot auf hoher See. Ihr Blick verengte sich zu einem Tunnel, an den
Rändern verdichteten sich schwarze Schatten. Sie spürte einen dumpfen Schmerz
am Oberarm und versuchte, die Ursache zu erkennen. Für einen kurzen Moment
klärten sich ihre Sinne.
Sie sah eine Hand.
Dann fiel sie in Ohnmacht.
EINS
»Stech ab!«
Fischbach zögerte. Die Herzdame lag auf dem Tisch und schenkte ihm
ein halbes Mona-Lisa-Lächeln. Er überlegte. Den Kreuzbuben opfern, um die blank
gespielte Herzzehn mit nach Hause zu nehmen? Wie viel Trumpf war eigentlich
schon durch? Stumm schalt er sich selbst, den Überblick verloren zu haben, und
musterte verstohlen seinen Kumpel Ralf Lorscheidt, der seelenruhig links von
ihm saß und seine Karten sortierte. Die speckige Lederjacke mit dem K-Heroes-Emblem
auf dem Rücken lag neben ihm auf der Bank und glänzte im Licht der 60-Watt-Birne,
die über dem Tisch hing.
»Was ist los? Wartest du auf Schönwetter?«, beschwerte sich Jörg
Dödenfeld, der rechts von Fischbach saß und mit den Fingern auf den Holztisch
trommelte. »Lass deinen Jung endlich die Dame besteigen.« Er zwinkerte
Fischbach anzüglich zu. Dödenfeld war Oberstudienrat am St. Michael-Gymnasium
in Bad Neuenahr. Im Alltag durch und durch souverän und distinguiert, gab er
sich im Kreis der K-Heroes gern gewöhnlich.
Fischbach wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er liebte Skat,
schätzte die nie gleichen Spiele, die Variationen. Dennoch wusste er, dass er
es nie zum perfekten Spieler bringen würde. Dafür fehlte es ihm an der
Übersicht. Immer wieder liefen Stiche an ihm vorbei, ohne dass er sich die
gespielten Karten merkte. Und genau das war es, was immer wieder dazu führte,
dass er vermeintlich sichere Runden abgeben musste – nicht selten von Hohn und
Spott der anderen begleitet.
»Hotte, Telefon.«
Verwundert sah Fischbach über die Schulter zur Theke. »Für mich?«
Hans, der Wirt, wedelte mit dem Hörer in der Luft herum. »Ist hier
sonst noch jemand Hauptkommissar und heißt Fischbach?«
»Etwa dienstlich?« Fischbach schüttelte den Kopf. »Unmöglich.«
Einmal im halben Jahr trafen sich die Mitglieder der K-Heroes, des
Motorradklubs, dem er angehörte, samstagabends in ihrer Stammkneipe »Im Krug« . Dabei stellten sie sicher, nicht gestört zu werden.
Eiserne Regel: Keine Frauen und keine Handys. Selbst weitere Gäste duldeten sie
nicht und zahlten dem Wirt sogar eine Entschädigung dafür, dass er sie als
geschlossene Gesellschaft akzeptierte und bewirtete. Diese zwei Abende im Jahr
waren Fischbach heilig. Schon Wochen vorher lief er durch die Flure der
Euskirchener Polizeibehörde und ermahnte jeden, den er erwischte, dass er an
diesem Abend nicht gestört werden wollte. Jahrelang hatte das problemlos
funktioniert. Bis heute. Fischbach legte seine Karten auf den Tisch, ging zur
Theke und griff nach dem Hörer. »Ja?«
»Hotte? Bist du dran?«
Fischbach kratzte sich die Wange und versuchte, die Stimme
zuzuordnen, was nicht einfach war mit vier Obstlern im Kopf. »Jan?«
»Hast du Zeit?«, überging sein Kollege Jan Welscher die Frage.
»Ich wollte doch nicht gestört werden«, blaffte Fischbach.
»Ja, ich weiß. Aber Sigrid meinte, ich dürfte dich stören.«
»Also gut«, sagte Fischbach resigniert. Er liebte seine Frau. Sie
war ein herzensguter und fröhlicher Mensch, auf den in allen Lebenslagen
Verlass war. Jedoch wünschte er sich, sie wäre hin und wieder etwas
abweisender. »Was ist denn los?«, grollte er und versuchte erst gar nicht,
seinen Ärger zu verschleiern. Er blickte zu Lorscheidt und Dödenfeld. Die
beiden
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