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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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in die Seitenstraßen. Aber in den wenigen Fenstern, die zur Straßenseite hinausgingen, rührte sich nichts, und die wenigen Leute, die unterwegs waren, kannte er. Plötzlich wurde ihm bewußt, wie lange es schon her war, daß er sich nach Medjay-Beschattern hatte umsehen müssen. Damals waren die Beschatter leicht zu überlistende Stümper gewesen, aber er hatte munkeln hören, daß Haremheb jetzt eine spezielle Geheimpolizei ausbilde, die ihm allein unterstehe, auch wenn sie im Namen des Pharao und im Interesse der nationalen Sicherheit aufgestellt werde. Gut möglich, daß die Männer und Frauen dieser Truppe, die mit ihrer militärischen Ausbildung gewiß bessere Beschatter waren, schon ihren Dienst taten. Wieder dachte Huy kurz an Surere, und als er sich fragte, ob der Mann wohl noch einmal auftauchen werde, erfüllte ihn fast so etwas wie Panik. Dann aber ärgerte er sich über seine Illoyalität gegenüber einem ehemaligen Kollegen, der unter dem neuen Regime zweifellos ebenfalls zu leiden hatte. Er verdrängte die Sache aus seinen Gedanken und konzentrierte sich statt dessen darauf, was er zu Taheb sagen wollte.
    Er wanderte durch die gewundenen Straßen des Hafenviertels und überquerte die kleinen Plätze, wo Markthändler Leintücher auf dem Boden ausbreiteten, auf denen sie dann Berge von Gemüse und Gewürzen kegelförmig aufschichteten, deren rote, gelbe und grüne Farben sich leuchtend vom Weiß abhoben. An Mauern stapelte man Krüge mit Öl, billigem Wein, schwarzem und rotem Bier, und hier und da wurde auf niedrigen Tischen Schmuck ausgestellt. Neben einem der Tische hockte ein Wächterpavian; seine Leine war lang genug, daß er einem Dieb nachlaufen und ihn mit seinen Kiefern beim Schenkel packen konnte. Der Affe starrte Huy unheilvoll an, blinzelte und gähnte dann und zeigte eine Reihe furchterregender gelber Schneidezähne. In der Nähe nahm ein Fischer seinen Fang aus, während seine Frau mit der Waage in der Hand die Meeräschen nach Größe sortierte. Der Duft von frisch gebratenem Falafel hing in der Luft und erinnerte Huy daran, daß er noch nicht gefrühstückt hatte.
    Nach und nach wurden die Straßen breiter und die Plätze größer, und es drängten sich weniger Händler auf ihnen. Huy entfernte sich in südöstlicher Richtung immer weiter vom Fluß und ging bergauf in den reichen Wohnbezirk, in dem Taheb wohnte. Tamarisken und Akazien standen vor Mauern, die weiß gekalkt waren, nicht schlammbraun. Hinter den Mauern lagen gepflegte Gärten, keine engen, mit Wäsche vollgehängten Innenhöfe. Huy begegnete kaum einer Seele auf seinem Weg durch das Viertel, nur hier und da einem Dienstboten. Gelegentlich schützte auch eine mit Vorhängen verhüllte Sänfte oder Rikscha ihre Insassen vor der Sonne, wenn diese sich in irgendwelchen Geschäften hinausbegaben. Niemand beachtete ihn; Huy vermutete, daß er aussah wie ein Unterverwalter im Dienste einer mäßig wohlhabenden Familie.
    Jedenfalls machte er diesen Eindruck auf Tahebs Torwächter, einen untersetzten Mann mit einem blinden Auge, dessen anderes Huy pessimistisch musterte, als er nach der Herrin des Hauses verlangte. Aber ein anderer Diener, der vorbeikam, erkannte ihn glücklicherweise vom Bankett her wieder. Unter Entschuldigungen wurde er eingelassen und in den vertrauten Innenhof geführt, wo er warten sollte.
    In diesem Hof hatte er seinen Freund Amotju das letzte Mal gesehen. Damals war es ein schmuckloser Ort gewesen, wo nur schlichte Holzmöbel, mattrot angestrichen, das blendende Weiß der Mauern milderten. Jetzt hatte Taheb überall große irdene Bottiche aufgestellt, in denen Unmengen von hohen, dunkelgrünen Pflanzen wuchsen. Zwei davon trugen lange Früchte, rosafarben und stachelig wie ein Kaktus. In Zweidrittelhöhe der Mauer war ein Fries gemalt, auf dem die Arbeit der Schiffsreederei abgebildet war, die Amotju von seinem Vater geerbt hatte. Auf einer Abbildung erkannte Huy das Hafentor von Perunofre in der Nähe der Nördlichen Hauptstadt. Weiter hinten war ein Schiff des Östlichen Meeres dargestellt, das unter seinem großen Segel an der Wüstenküste entlang südwärts nach Punt fuhr, um exotische Fracht zu holen: Ebenholz, so hart, daß es im Wasser versank; wilde gefleckte Katzen, die man zu Schoßtieren oder vierbeinigen Jagdfalken für die Reichen zähmen konnte; Myrrhe und die langen Zähne des riesigen Waldungeheuers. An einer anderen Wand sah man die schweren Schiffe, die das Große Grüne auf ihrer

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