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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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zusammenschweißte, so groß wie die Steinplatte. Wenn sie damit fertig waren, kamen ältere Jungen, Papiermacherlehrlinge, nahmen den Bogen von der Platte und trugen ihn zu den Trockenständern, wo der Papyrus sorgfältig im Auge behalten und wieder heruntergenommen werden mußte, nachdem er getrocknet war und bevor er in der Sonne vergilben konnte. In einem anderen Teil der Fabrik wurden die Bögen dann zu großen Rollen zusammengeleimt oder zu kleineren Stücken für Briefe und einseitige Dokumente zurechtgeschnitten.
    Huy hatte die Stellung angenommen, nachdem er zehn Tage vergeblich auf eine Nachricht von Merymose gewartet hatte. Dann zwangen ihn die Ebbe in seiner Börse und die Leere in seiner Küche, sich irgendeine Arbeit zu suchen. Er war mit seinem Problem zu Nubenehem gegangen, und sie hatte ihn mit einem anderen Kunden der Stadt der Träume bekanntgemacht, einem älteren Papiermachermeister. Dieser Mann suchte dringend jemanden für seine Papierklopfermannschaft, da einer seiner Männer unverhofft am Flußfieber gestorben war. Huy verstand etwas von Papyrus, da er den größten Teil seines Lebens damit verbracht hatte, darauf zu schreiben, und er hatte dem Mann einreden können, er verstehe sich auch auf die Herstellung, ohne dabei allzuviel über seinen wahren Hintergrund zu verraten. Er hatte die Stelle bekommen.
    Anfangs hatte er bei der Arbeit insgeheim in angenehmen Erinnerungen geschwelgt, Erinnerungen an Duft und Beschaffenheit von Papier und Tinte, an die Freude beim Offnen einer neuen Papyrusrolle, ausgebreitet, so weit es nötig war, auf der weichen Lederunterlage auf dem hölzernen Schreibpult; dann das Mischen des Tintenpulvers mit Wasser und der kritische Moment, wo der Pinsel eingetaucht wurde, um das erste Zeichen zu malen - gerade richtig mußte die Menge der im Pinsel aufgenommenen Tinte sein, damit das Papier sie absorbierte, bevor sie verlaufen konnte. Er erinnerte sich an die Peitschenhiebe, die er als Schüler erhalten hatte, wenn er einen Papyrus verdarb. Jetzt, nach dreißig Tagen dieser zermürbenden, monotonen Arbeit, war ihm klar, warum. Aber seine Arbeitskollegen waren glücklich, und es ging ihnen gut. Es gab einen großen Bedarf nach ihrem Produkt, und sie hatten regelmäßige, sichere Arbeit.
    Aber die Langeweile erstickte Huys Herz. Auch wenn er es sich nicht leisten konnte, solch luxuriösen Gedanken zu frönen, fragte er sich allmählich, welchen Sinn es hatte, seinen Magen auf Kosten seines Verstandes zu füttern. Er dachte an Merymose und fragte sich, wie er wohl vorankommen mochte. Bald, wenn die Einbalsamierer ihre Arbeit beendet hatten, war seine Zeit abgelaufen.
    Huy war nicht noch einmal zu Taheb gegangen, teils aus Stolz, teils aus Unsicherheit. Bei ihrer letzten Begegnung war ein heikler Punkt erreicht worden, und obwohl sein Begehren ihn zu ihr gedrängt hatte, gab er ihm nicht nach. Gleichzeitig wunderte er sich über ihr Schweigen nach soviel Freundlichkeit. Dachte sie das gleiche wie er? Warteten jetzt beide darauf, daß der andere den nächsten Schritt tat?
    Zehn weitere lange Tage sollten vergehen, bevor die ersehnte Unterbrechung seines öden Daseins eintrat. Seit einer Weile schon war er sich sicher, daß er nicht mehr beschattet wurde, und er wußte auch, daß niemand in seiner Abwesenheit sein Haus durchsucht hatte. Jeden Tag, wenn er zur Arbeit ging, ließ er irgendwelche Gegenstände - eine Papyrusrolle oder eine Kalksteintafel oder seinen Kajal-Tiegel - in einem bestimmten, genau bemessenen Abstand von der Tischkante und voneinander liegen. Und diese Abstände hätten sich verändert, so behutsam man bei der Durchsuchung auch vorginge. Sie veränderten sich nie. Huy schrieb es seiner regelmäßigen Arbeit zu, daß man ihn in Ruhe ließ. Wahrscheinlich glaubten die Behörden, sie hätten ihn endlich kleingekriegt. Nicht nur seinen vollen Bauch hatte er also seiner öden Beschäftigung zu verdanken.
    Eines Abends aber, als Huy auf dem Heimweg durch das Hafenviertel ging, gerade der unvermeidliche Nordwind aufkam und die Wipfel der dom -Palmen rascheln ließ, hatte er den Eindruck, daß ihm doch jemand auf den Fersen war. Um sicherzugehen, wich er von seinem gewohnten Weg ab, schlüpfte durch Gassen, die nicht breiter waren als ein Esel, und huschte über kleine Plätze, wo fünf Straßen zusammenstießen. Die Gassen im Hafen waren ganz anders als die regelmäßigen, breiten Fahrstraßen anderswo in der Stadt. Das Hafenviertel war wild gewachsen, hatte

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