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Tod am Nil

Tod am Nil

Titel: Tod am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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ins Innere des Hauses führte, ertönte das unechte Kichern eines Mädchens, untermalt von den rauhen Lauten eines befriedigten Mannes, der sich der Illusion hingab, er sei der Hahn auf dem Misthaufen. Das Mädchen blieb unsichtbar, aber der Mann kam einen Augenblick später heraus. Als er sah, daß Nubenehem nicht allein war, zuckte er kurz zusammen, so, als fühle er sich ertappt. Im nächsten Moment aber, sobald ihm klar war, daß es sich bei Huy nicht um einen Bekannten handelte, blinzelte er ihm komplizenhaft zu. In den finsteren Zeiten der Südlichen Hauptstadt, hatte Nubenehem Huy einmal erzählt, war ein Vater, der seine Tochter als Prostituierte verkauft hatte, einige Zeit später in die Stadt der Träume gekommen, um dem Treiben hier zuzusehen; als er unter den Freudenmädchen dann seine eigene Tochter wiedererkannte, war er vom Bordell geradewegs zum Fluß gegangen und hatte sich ertränkt.
    »Es ist schade«, fuhr Nubenehem fort, als der Kunde gegangen war. »Da war einmal ein Mädchen hier, vor nicht allzu langer Zeit. Wollte sich amüsieren und nebenbei ein bißchen Geld verdienen, der Himmel weiß, warum. Eine von diesen Aristos, die sich mal unters gemeine Volk mischen wollte. Sie war dein Typ - großäugige Unschuld, und sehr jung. Aber man roch die Alraunfrucht bei ihr quer durchs Zimmer. Ich sag dir was: Ich gebe dir die Perücke für einen silbernen deben , und etwas Henna kriegst du noch dazu, damit du sie ein bißchen auffrischen kannst.«
    Huy wühlte in seinem ledernen Beutel, der unter den Falten seines Kilts an seiner Hüfte hing: Zwei silberne deben waren alles, was er bei sich hatte. Aber er mußte zugeben, daß Nubenehems neuer Preis ganz vernünftig war. Außerdem mußte sie schließlich, wie alle, ihren Lebensunterhalt verdienen.
    Als er das Freudenhaus verließ, die Perücke unter den Arm geklemmt, wo sie ihn auf der Haut kitzelte, überlegte er, daß der Preis, den er für sie bezahlt hatte, gering war angesichts der Erleichterung, Surere vom Hals zu haben. Gleichzeitig fand er es interessant, daß zwei Jahre Haft den Eifer des ehemaligen Bezirksgouverneurs für die von Echnaton vertretene Sache noch vergrößert hatten.
    Der Pharao hatte zweitausend Jahre alte Glaubenssätze hinweggefegt, sie als Aberglauben verworfen und alle Götter durch einen einzelnen Gott ersetzt, dessen Geist sich nicht in Bilder fassen ließ, dessen Liebe allen Menschen galt und der in der Kraft des Sonnenlichts lebte. Die zwölf strahlenden Regierungsjahre des jungen Pharao - er war mit neunundzwanzig im Wahnsinn gestorben, nachdem sein Traum und sein Land in Scherben gegangen waren -hatten scheinbar auch in den Seelen der Menschen ein neues Licht aufgehen lassen.
    Aber das Gefängnis hatte Surere vor den Realitäten des Lebens beschützt. Huy selbst hatte sich an die neue Welt anpassen müssen, die Haremheb nach Echnatons Untergang geschaffen hatte. Vor allem eins hatte er gelernt: daß Ideale die Menschen nicht ändern. Er sah jetzt ein, daß die großen Visionen des Pharao, dem er mit solcher Hingabe gefolgt war, die Mehrheit des Volkes, die große braune Masse der Feldarbeiter, weder berührt noch ihr Denken beeinflußt hatten. Nur wenige Wochen hatte es gedauert, und die alte, verschmähte Ordnung war wiederhergestellt. Die Priester der alten Gottheiten waren aus der Wüste zurückgekehrt oder aus ihren Verstecken in abgelegenen Provinzstädten in Schernau und Tomehu, und mühelos hatten sie sich wieder in den alten Stand gesetzt; das Volk aber war dankbar gewesen, daß die alten Götter zurückgekehrt waren, die von den Menschen nicht mehr erwarteten, als daß sie, ohne zu fragen, ihre Pflicht taten, sie versöhnlich stimmten und ihnen gelegentlich Opfer brachten. Götter, die nicht verlangten, daß ein Mensch für sich selbst dachte; Götter, die Sünden vergaben, ein gutes Leben im Jenseits versprachen, wenn der Preis, den man den Priestern bezahlte, hoch genug war.
    Surere war für einen intelligenten Mann ungewöhnlich starr gewesen. Stets hatte er auf einer makellosen Lebensführung beharrt, auf Anstand und Ehrerbietung innerhalb der Familien, und er war darin weit über die milden Vorschriften seines Mentors hinausgegangen. Bevor er vom Wahnsinn ergriffen wurde, hatte Echnaton doch wenigstens verstanden, daß es immer eine Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit gab, und so neigte er stets zur Milde gegenüber einem Sünder. Huy erinnerte sich, daß Surere in seiner Provinz strengste moralische

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