Tod am Nil
Thoth mit dem Ibiskopf, dem Gott der Schreiber; zu Horus, dem Sohn des Osiris, und zum Beschützer des Herdes, zu Bes, dem kleinen Gott seiner Kindheit.
Als er vor seiner Haustür stand, merkte er, wie sich seine Gedanken wieder dem viel dringlicheren Problem zuwandten, etwas in den Bauch zu bekommen. Zumindest ein Gutes hatte diese Sorge: Sie verhinderte, daß seine Gedanken ständig bei Aset weilten und er sich in einem Moment nach ihr sehnte, im nächsten unheilige Rache an ihr übte. Seine geschiedene Ehefrau, Aahmes, war inzwischen zu einer schattenhaften Gestalt geworden, die ihm zu jedem Neujahr, zum mittsommerlichen Opet-Fest, einen Brief aus dem Delta schickte und ihm Neues über seinen Lieblingssohn, den kleinen Heby, berichtete. Er versuchte, sich vorzustellen, wie der Junge jetzt, mit neun Jahren, aussehen mochte. In ihrem letzten Brief hatte Aahmes eine neue Ehe erwähnt; Huy versuchte, sich vorzustellen, wie sie die einfache Zeremonie mit jemand anderem vollzog, aber es gelang ihm nicht. Die Vorstellung dagegen, daß Heby jetzt einen neuen Vater bekommen würde, gefiel ihm - jemanden, der anwesend war, nicht eine ferne Gestalt, die mehrere Tagesreisen entfernt flußaufwärts lebte.
Er war Taheb dankbar, daß sie ihm durch Merymose Arbeit besorgt hatte, und er kam zu dem Schluß, daß sein Mißtrauen gegen Taheb eigentlich immer ungerechtfertigt gewesen war. Im Grunde war auch sie das Opfer einer un-glücklichen Ehe gewesen und nicht - wie sie selbst und alle, die auf Amotjus Seite gestanden hatten, immer glaubten - die Verursacherin. Nach dem Tod ihres Mannes war sie in würdevoller Trauer einhergegangen, die ihr Ehre machte. Sie hatte sogar die Totenspeise persönlich zum Grab getragen, und zwar mit einer Regelmäßigkeit und Hingabe, die manche Frau, die den Verlust einer größeren Liebe zu beklagen hatte, beschämt haben dürfte. Die Frau, die Huy nun wiedergesehen hatte, war eine andere gewesen - eine völlig verwandelte, mit der -Ironie des Schicksals - Amotju hätte glücklich sein können.
Huy betrat sein Haus, dessen Leere ihm trist und anklagend zugleich entgegenschlug. Er kratzte ein paar Linsen und etwas nebes -Brot zusammen und fand noch einen kleinen Krug mit schwarzem Bier und ein tönernes Trinkrohr. Unwillkürlich mußte er an den Kontrast zwischen seinem letzten Mahl und diesem hier denken. Nach dem Essen zündete er eine kleine Öllampe an, denn die Dämmerung war schon hereingebrochen. Um gegen die Stille im Hause anzugehen, begann er, aufzuräumen, sammelte etliche Papyrusrollen und Kleidungsstücke ein, die im Zimmer verstreut lagen, und warf die Sachen in zwei Kisten, dies in die eine, jenes in die andere. Die Perücke legte er in die Papyruskiste; er fragte sich, was er damit anfangen sollte und wessen Kopf sie wohl geziert haben mochte, ehe sie in Nubenehems Hände gekommen war. Bei diesem Gedanken nahm er sich vor, die künstliche Haarpracht gleich am nächsten Morgen zu verbrennen.
Schließlich überkam ihn die Müdigkeit, und er ging hinaus in den Hof, um die Wasserkrüge für sein Bad zu füllen. Dann stieg er die Treppe hinauf in seine Schlafkammer, streifte den Kilt ab und legte sich hin. Der Schlaf kam rasch und brachte keine Träume.
Am nächsten Morgen erwachte er erfrischt, und der Tag dehnte sich nicht in endloser Leere vor ihm aus. Nicht, daß sein Leben auf einmal mehr Sinn gehabt hätte als am Tag zuvor, aber die Ereignisse der vergangenen vierundzwanzig Stunden hatten ihm gezeigt, daß Ra das Unerwartete vollbrachte, wenn man am allerwenigsten damit rechnete; außerdem konnte er die Hoffnung nicht unterdrücken, daß seine zufällige Bekanntschaft mit Merymose ihn vielleicht weiterbringen würde. Er war dem Medjay eine größere Hilfe gewesen, als ihm klar war. Aus eigenen Stücken beschloß er, Taheb mit ihrer Einladung beim Wort zu nehmen und sie zu besuchen. Er war neugierig, wie sie reagieren würde - hatte sie sie aus reiner Höflichkeit ausgesprochen, oder war es ernstgemeint gewesen? Außerdem interessierte es ihn, mehr über das tote Mädchen und ihren Vater Ipuky in Erfahrung zu bringen. Es kam nicht in Frage, daß er sich direkt an den Vater wandte - einen Mann wie Huy würde man nicht einmal auf das Palastgelände lassen. Aber Taheb war eine reiche Geschäftsfrau. Vielleicht kannte sie die Familie nicht persönlich, aber bestimmt hatte sie Kontakt zu Leuten, die sie kannten.
Als er das Haus verließ, sah er sich auf dem Platz um und spähte auch
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